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Ab 1. Mai 2011 gilt für 8 EU-Länder die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit

Eine Regelung, die am 1. Mai dieses Jahres in Kraft treten wird, spaltet die Lager: die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit für 8 osteuropäische EU-Mitgliedsstaaten schürt einerseits Angst vor Billigkonkurrenz und Lohndumping und wird andererseits angesichts gleicher Marktbedingungen für die neuen Mitbieter auf dem Baumarkt mit Gelassenheit erwartet. Worum es dabei im Einzelnen geht: Für Arbeitnehmer aus den 2004 der EU beigetretenen Ländern Estland, Lettland, Litauen, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechien und Ungarn (so genannte EU8-Staaten) gilt ab dem 1. Mai die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit, also das Recht unter gleichen Bedingungen wie inländische Unternehmen auf dem deutschen Markt agieren zu dürfen.

Noch bis zum Stichtag 1. Mai unterliegt die Beschäftigung von Arbeitskräften aus diesen Ländern einer expliziten Genehmigung durch die Arbeitsverwaltung. Für das Ausstellen einer Arbeitserlaubnis fallen Verwaltungsgebühren an, die den Einsatz dieser Arbeitskräfte verteuern. Auch Werkverträge zwischen einem deutschen Bauunternehmen und einer Firma aus den genannten EU-Ländern bedürfen noch bis zum 1. Mai der Zustimmung durch die Bundesagentur für Arbeit. Eine solche Zustimmung wird bisher prinzipiell nicht in einem Bezirk einer Agentur für Arbeit erteilt, in der die durchschnittliche Arbeitslosenquote in den vergangenen 6 Monaten um 30% über der Arbeitslosenquote der gesamten Bundesrepublik Deutschland gelegen hat. Dies betrifft also insbesondere Bezirke in den Neuen Bundesländern.

All diese genannten Einschränkungen für die Beschäftigung und Niederlassung von Arbeitnehmern aus den EU8-Staaten entfallen also demnächst. Betroffene ausländische Unternehmen unterliegen ab dann jedoch den gleichen Bedingungen wie einheimische Betriebe. Dazu gehören im Einzelnen:

 

  • Zahlung des tariflichen Mindestlohns
  • Gewährung des tariflichen Urlaubs
  • Teilnahme am Urlaubsverfahren der Soka-Bau
  • Einhaltung von Höchstarbeitszeiten, Zahlung von Überstundenzuschlägen
  • Einhaltung aller Bedingungen bezüglich Sicherheit und Gesundheit am Bau
  • Einhaltung aller Bedingungen, die die Überlassung von Arbeitskräften betreffen.

 

Darüber hinaus müssen auch folgende Bestimmungen befolgt werden:

 

  • Vor Beginn einer Bautätigkeit müssen Unternehmen aus dem Bausektor Meldung bei der Oberfinanzdirektion Köln machen
  • Regelmäßig stattfindende Einsätze bzw. Baustellen, die länger als vier Wochen bestehen, müssen dem örtlichen Gewerbeamt gemeldet werden.
  • Die Ausübung zulassungspflichtiger handwerklicher Berufe aus der Anlage A zur Handwerksordnung bedürfen der Bewilligung. Dabei muss durch eindeutige Bescheinigungen aus dem Herkunftsland belegt werden, dass eine dem deutschen Recht entsprechende Qualifikation vorliegt.

 

Dem Lohndumping sind durch diese Regelungen also Grenzen gesetzt und dadurch wird es wohl auch nicht zu extremen Kampfpreisen auf dem deutschen Baumarkt kommen. Hinzu kommt, dass ausländische Unternehmen durch Kosten, die dafür anfallen werden eine Baustelle im mitunter weit entfernten Deutschland einzurichten bzw. eigenes Personal in Deutschland unterbringen zu müssen, belastet.

 

Trotzdem sieht die deutsche Bauwirtschaft der neuen Konkurrenz mit Skepsis entgegen. Schließlich profitieren Unternehmen aus den genannten Staaten von den oft bedeutend geringeren Steuern und Sozialabgaben, die in ihrem Heimatland zu entrichten sind. Somit wird ihre Gewinnspanne auch bei gleichem Lohnniveau größer ausfallen. Ein Vorteil, von dem vor allem Firmen, die Nahe an Deutschlands Ostgrenze angesiedelt sind, Nutzen ziehen können. So sind es auch gerade die Neuen Bundesländer, die die neue Konkurrenz besonders fürchten; umso mehr, als für sie der bisher bestehende Schutz durch die Sperre von Werkverträgen in Gebieten mit hoher Arbeitslosigkeit wegfällt.

 

Andere bezweifeln, dass die schlimmsten Befürchtungen, wie sie u.a. vom Zentralverband Deutsches Baugewerbe und der IG Bau geäußert werden, nämlich dass in den folgenden Jahren zwischen 100.000 und 150.000 Arbeitskräfte aus EU8-Staaten Ländern in den deutschen Bausektor drängen werden, eintreten werden. Die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände sieht in der vollen Arbeitnehmerfreizügigkeit sogar die Chance, dass dringend benötigte Facharbeiter aus Osteuropa mühelos angeworben werden können. Andere schätzen den deutschen Bausektor, insbesondere in der Grenzregion, als zu schwach ein, um in großem Stile attraktiv für osteuropäische Firmen zu sein, somal durch die Fußball EM 2012 in Polen und der Ukraine und durch die anziehende Bautätigkeit in osteuropäischen Metropolen die Beschäftigungslage in Osteuropa derzeit gar nicht so schlecht ist. Mit weit mehr Sorge schaut man auf die Gewährung der vollen Arbeitnehmerfreizügigkeit für Rumänien und Bulgarien, die 2014 in Kraft treten wird. Die im Vergleich zu den EU8-Staaten bedeutend schlechtere ökonomische Lage in diesen Ländern, wird einen weitaus größeren Anreiz darstellen, eine Beschäftigung in Deutschland zu suchen.

 

Einig sind sich jedoch alle, dass die neue Regelung illegalen Praktiken, allen voran der Etablierung von mehr Scheinselbständigkeit, Vorschub leisten wird. Die schon heute unzureichenden Kontrollen an Baustellen werden einer Zunahme an betrügerischen Beschäftigungsverhältnissen nicht begegnen können.

 

Wie sich die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit nun konkret auf die deutsche Bauwirtschaft auswirken wird, bleibt abzuwarten. Es bleibt zu hoffen, dass sich die weitgehend hohe Qualität, die die deutsche Baulandschaft bisher prägt, auch angesichts der veränderten Lage halten werden kann.

 

Bildquelle 'Bauarbeiter auf Baustelle': © endostock - Fotolia.com

 

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04.04.2011
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