Alles flau auf’m Bau? Wo das Baugewerbe schrumpft – und wo es boomt
Mal kracht es an allen Ecken: Wohnungsnot, Pleitewelle, Investitionsstau, Fachkräftemangel. Dann wieder: Rekordumsätze im Tiefbau, Milliarden für Trassen, Tunnel, Glasfaser. Die einen stemmen Großprojekte mit glänzender Pipeline, die anderen streichen den letzten Rohbau vom Hof. Zwischen Klagegesängen und Konjunkturberichten schwankt das deutsche Baugewerbe irgendwo zwischen Hüh und Hott – mal abrissreif, mal auf Wachstumskurs.
In diesem Artikel schauen wir genauer hin: auf das verzerrte Bild einer Branche, die gleichzeitig boomt und blutet – und auf die politischen wie strukturellen Ursachen für dieses widersprüchliche Schauspiel. Wer verliert hier eigentlich? Und wer kassiert? Wer mauert sich noch durch – und wer steht längst im Rohbau seiner eigenen Insolvenz?
Trotz der allgegenwärtigen Krisenrhetorik zeigt sich ein ambivalentes Bild: Während der Wohnungsbau kollabiert, bleibt im Infrastrukturbereich teilweise noch Bewegung.
- •Der Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB) erwartet für 2024 ein reales Umsatzminus von 4?% (und nochmals –2,5?% in 2025). Auftragseingänge im Hochbau sinken seit 2021 um rund 13?% (buildingnet.de, zdb.de).
- Im Wohnungsbau schrumpfen die Fertigstellungen von knapp 294.400 (2023) auf etwa 250.000?WE in 2024 – realer Rückgang bis 2026 von bis zu 35?% (zdb.de).
- Im Gegensatz dazu floriert der Tiefbau, etwa Stromtrassen, Schienen, Breitbandausbau: Wachstum +9?% (2024) und +4,5?% (2025) real (zdb.de).
Das Ergebnis: Während manche Baufirmen um Aufträge und dahinterliegendem Lohn kämpfen, fahren andere – z.?B. in Infrastrukturprojekten – stabile oder sogar wachsende Umsätze ein.
Wohnungsnot in der Alltagswahrnehmung vs. Reden der Politik
2019 wurde das Ziel ausgerufen, jährlich 400.000 Wohnungen zu bauen. Das bleibt jedoch ein frommer Wunsch:
- Verbände erwarten für 2025 nur 175.000 bis <200.000 fertiggestellte Wohnungen – das bedeutet eine Unterdeckung von rund 120.000 Wohneinheiten pro Jahr (zdb.de, Welt).
- Der Bundesverband Freier Immobilienunternehmen und Bulwiengesa sehen die „Pipeline trockenlaufen“ – Baustarts seit Ende 2022 um 85?% eingebrochen (Welt).
Zugleich bleibt die Politik vage: Ansagen wie der „Bau-Turbo“ oder Sondervermögen klingen gut, doch in der Praxis wurden wichtige Ausschreibungen gestoppt und Infrastrukturprojekte verzögert – mit dem Effekt, dass 2025 längst als „verlorenes Baujahr“ gilt (Bild).
Fachkräftemangel und Nachwuchsnot: Die doppelte Krise
- Laut ifo-Konjunkturumfragen (Juli 2024) meldet mehr als ein Viertel der Bauunternehmen Fachkräftemangel – besonders schlimm sieht es bei Leiharbeitern und Dienstleistern aus (fast 40?%) (Baulinks).
- Die SOKA?BAU meldet 2024 einen Rückgang der Auszubildenden um fast 5?%, insbesondere bei Mauerinnen und Trockenbaumonteurinnen; die Zahl der Azubis ist seit 1995 um über 60?% gesunken (bzb.de).
In der Praxis bedeutet das: Unternehmen müssen sich im harten Wettbewerb um Aufträge beim Lohnniveau einschränken, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Wer keine Aufträge bekommt, kann keine Ausbildungsplätze anbieten – und verstärkt so den Teufelskreis.
Branche in Balanceakt: Zwischen Pleite und Pointe
Hier prallen widersprüchliche Realitäten aufeinander:
Die Realität der Baubranche zeigt sich in teils harten Gegensätzen: Während der Wohnungsbau am Boden liegt und die Neubauziele verfehlt werden – rund 120.000 Wohnungen fehlen jedes Jahr –, wirkt der Infrastrukturbereich auf den ersten Blick stabil. Doch selbst hier bremsen Haushaltsführung und Ausschreibungsstopps viele Projekte aus. Hinzu kommt ein gravierender Fachkräftemangel: Ausbildungsplätze bleiben unbesetzt, ganze Jahrgänge an Nachwuchskräften fehlen. Und in manchen Betrieben herrscht schlichtweg Auftragspause – mit Kurzarbeit oder Kündigungen als Folge (Reddit, Welt, Bild, bauwirtschaft-hessen.de).
Ein Reddit-Kommentar beschreibt die paradoxe Situation pointiert:
„Irrsinnige Vorschriften, Kunden, die alles wollen und am Ende nicht zahlen … und politisches Planungschaos dazu.“ (Reddit)
Man kann es auch so formulieren: Die Bauwirtschaft ist derzeit ein Schauspiel auf zwei Bühnen – dramatisch im Wohnungsbau, und zugleich robust im öffentlichen Tiefbau.
Wer rettet die Branche – und wie?
Forderungen lauten:
- Sondervermögen Infrastruktur: ein langfristiges Investitionsprogramm – 100–500 Mrd. über 10?15 Jahre – mit Auflagen für Tarifbindung und begrenzte Subunternehmerkaskaden (Reddit).
- Baurecht reformieren: Vereinfachte Genehmigungsverfahren, entlastende Förderung, Senkung der Grunderwerbsteuer – um Baukosten zu senken (Welt).
- Mehr politische Verlässlichkeit: Statt dauerhaftem Haushaltsstillstand muss klar sein: Der Investitionsstau darf nicht weiter verschärfen (zdb.de).
Kollaps oder Kurswechsel?
Während die Bildzeitung vom „verlorenen Baujahr 2025“ spricht und Verbände klagen, dass Gebäudeprojekte einfach stillgelegt werden, machen andere Firmen weiter Boden gut – in äußerst lukrativen Tiefbauprojekten. Doch solide Planung fehlt. Nachwuchskräfte fehlen. Fördermittel schwinden. Fazit? Kein Wunder, dass man sich fragt: Ist das Baugewerbe krank – oder nur unterbewertet?
Quellen im Überblick
• ZDB-Baukonjunkturausblick 2024/25 (zdb.de)
• Euroconstruct / Ifo?Prognose Neubau Rückgang bis 2026 (Welt)
• WELT-Bericht Wohnungsnot und Förderkritik (Welt)
• Fachkräftesammlungen ifo, SOKA?BAU, Reddit-Baufirmen (bzb.de)
• Haushaltsproblem Infrastruktur-Ausschreibungsstopp (Bild)
Bild: Charlie Bird, pexels.com
Redaktion
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