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Die Baustellen-Mafia: Organisierte Kriminalität auf deutschen Baustellen

Dubiose Gestalten auf einer Baustelle
Dubiose Gestalten auf einer Baustelle

Die Bauwirtschaft leidet zunehmend unter mafiösen Strukturen. Der Bundesvorsitzende der IG Bau, Robert Feiger, betont, dass kriminelle Banden die Bauwirtschaft für Geldwäsche nutzen und systematisch gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen, Stichwort: Schwarzarbeit. Offizielle Ermittlungen zeigen, dass diese Strukturen nicht nur in Deutschland, sondern auch international, insbesondere in Verbindung mit der italienischen Mafia, aktiv sind.

 

Hans-Dieter Kainzbauer-Hilbert, erfahrener Jurist und Ermittler, der von 2010 bis 2017 beim Hauptzollamt Stuttgart jenes Team der Finanzkontrolle Schwarzarbeit leitete, das sich schwerpunktmäßig um das Großprojekt „Stuttgart 21“ kümmerte, beschreibt das Dilemma der Bauunternehmer bei der Bekämpfung von Schwarzarbeit so: „Stellen Sie sich Folgendes vor: Sie fahren mit dem Auto eine Straße entlang, auf der überall Radarfallen aufgebaut sind. Sie müssen schnell ans Ziel kommen, aber ihnen wurde der Tacho ausgebaut. So in etwa geht es Unternehmern, die auf ihren Baustellen Schwarzarbeit verhindern wollen.“ Diese Schattenwirtschaft, eine Bezeichnung für sämtliche wirtschaftlichen Leistungen, die nicht in die Berechnung des Sozialprodukts einfließen, ist insbesondere im Baugewerbe problematisch, wo kriminelle, mafiöse Strukturen Schwarzarbeit, Steuerhinterziehung und Sozialbetrug professionalisiert haben. Laut dem Wirtschaftswissenschaftler Friedrich Schneider wird das Ausmaß der Schattenwirtschaft in Deutschland 2024 auf 481 Milliarden Euro geschätzt. Das übertrifft sogar den Bundeshaushalt.

 

Hohe Steuern und Sozialabgaben als Nährboden für Kriminalität

 

Die hohen Steuern und Sozialabgaben in Deutschland, gepaart mit einem großzügigen Sozialsystem, drängen viele Arbeitnehmer in die Schattenwirtschaft – ein besonders düsteres Kapitel im Baugewerbe. Hier haben vielerorts kriminelle Clans und Banden längst das Ruder übernommen. Die renommierte Journalistin Petra Reski zog in ihrer Rede auf der 450. Montagsdemo in Stuttgart eine brisante Parallele zwischen dem Großprojekt „Stuttgart21“ und der Expo 2015 in Mailand, die von der Mafia infiltriert wurde. „Für Italiener ist Stuttgart 21 ein Déjà-vu“, erklärte Reski. „Vieles erinnert an die Expo 2015 in Mailand, die trotz zahlreicher Warnungen von Antimafia-Staatsanwälten unter die Kontrolle der Mafia geriet.“ Längst ist es kein Geheimnis mehr, dass die Mafia auch in Deutschland ihr Netz gesponnen hat, besonders im Baugewerbe. „Öffentliche Aufträge in die eigenen Taschen umzuleiten, ist die Königsdisziplin der Mafia – und das beschränkt sich längst nicht mehr nur auf Italien“, so Reski weiter. „Es gibt keine Grenzen mehr in Europa. Deshalb sind die Mafiosi übrigens auch die überzeugtesten Europäer.“

 

Scheinfirmen und Strohmänner

 

Die Masche, mit der die Täter arbeiten und so den Staat um Millionen prellen, ist so ausgeklügelt wie simpel: Die Haupttäter gründen sogenannte Servicefirmen durch Strohmänner, die Behördengänge erledigen und Firmenkonten eröffnen. Diese Scheinfirmen stellen dann Rechnungen aus, ohne tatsächliche Leistungen zu erbringen. Die bezahlten Beträge fließen nach Abzug einer „Provision“ für den Strohmann an die bestellenden Unternehmen zurück. Die Rechnungen werden als Betriebsausgaben eingebucht, wodurch Steuern und Sozialversicherungsabgaben in Millionenhöhe hinterzogen werden. Das zurückgeflossene Schwarzgeld wird genutzt, um illegale Gewinne zu erzielen und Schwarzarbeiter zu bezahlen, ohne Abgaben zu leisten. Nach kurzer Zeit melden die Täter die Servicefirmen ab und die Strohmänner tauchen unter.

 

Bei einer im Januar dieses Jahres durchgeführten Großrazzia in NRW gelang dem Zoll der bislang größte Schlag gegen Schwarzarbeit im Baugewerbe. Die Täter verursachten durch Scheinfirmen einen Schaden von rund 48 Millionen Euro. Anfang Juli 2024 gelang dem Zoll ein weiterer Schlag gegen die organisierte Schwarzarbeit. Im Rahmen einer umfangreichen Razzia zur Bekämpfung organisierter Schwarzarbeit im Baugewerbe in Schleswig-Holstein und Hamburg durchsuchten insgesamt 540 Zöllner 47 Standorte, darunter auch eine Firma in Lübeck. Im Fokus der Ermittlungen stehen fünf Hauptbeschuldigte, die verdächtigt werden, seit 2019 durch den Einsatz von Arbeitnehmern als angebliche Kommanditisten Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuern in Millionenhöhe hinterzogen zu haben. Bei den Durchsuchungen wurden 66.000 Euro Bargeld, Bankkonten und umfangreiches Beweismaterial sichergestellt.

 

Der Kampf gegen Schwarzarbeit und Korruption – ein Kampf gegen Windmühlen?

 

Die Aufdeckung organisierter Schwarzarbeit in NRW, Schleswig-Holstein und Hamburg wirkt angesichts der Milliardenbeträge, die durch Schwarzarbeit im Baugewerbe umgesetzt werden, wie ein Tropfen auf den heißen Stein. Eine effektive Bekämpfung dieser illegalen Praxis erfordert seitens der Behörden eine umfassende Strategie. Diese reicht von regelmäßigen, unangekündigten Zollkontrollen über die genaue Überprüfung von Arbeitsverträgen und Sozialversicherungsnachweisen bis hin zur Identifikation der Arbeitnehmer direkt vor Ort. Nur durch ein solches Maßnahmenbündel kann man den kriminellen Machenschaften auf dem Bau effektiv entgegentreten. Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS), eine spezialisierte Abteilung des Zolls, ist hier federführend und arbeitet eng mit anderen Behörden wie der Rentenversicherung, den Arbeitsagenturen und den Finanzämtern zusammen, um eine umfassende Verfolgung von Verstößen zu gewährleisten.

 

Doch trotz der Erfolge der FKS wird der Personalbestand bei den Zollkontrollen häufig als unzureichend kritisiert. Fachleute und die Gewerkschaft der Polizei (GdP) betonen regelmäßig, dass eine personelle Aufstockung notwendig ist, um den wachsenden Anforderungen und der zunehmenden Komplexität der Aufgaben gerecht zu werden. Und auch die IG Bau forderte in einer Pressemitteilung im Januar 2023, die FKS um 16.000 zusätzliche Mitarbeiter aufzustocken. Aktuell zählt die FKS rund 8.900 Beschäftigte.

 

Ein weiterer wichtiger Schlüssel zur Aufdeckung von Schwarzarbeit sind die Arbeiter auf den Baustellen selbst. Über spezielle Hinweisgeberprogramme des Zolls können sie anonym Informationen über Verstöße melden und dabei vor möglichen Repressalien geschützt werden. Eine sorgfältige Dokumentation von Arbeitsanweisungen, Lohnabrechnungen und Arbeitszeiten seitens der Mitarbeiter kann ebenfalls wertvolle Hinweise für Ermittlungen liefern. Transparenz und die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit internen Compliance-Abteilungen oder direkt mit den zuständigen Behörden sind weitere Schlüsselelemente, um Unregelmäßigkeiten frühzeitig zu erkennen und anzugehen.

 

Ausschreibung öffentlicher Bauvorhaben – Spielwiese für illegale Machenschaften?

 

Ebenfalls eine große Verantwortung bei der Bekämpfung von organisierter Kriminalität, Korruption, Preis- und Lohndumping kommt der Vergabe öffentlicher Bauvorhaben zu. Den Zuschlag erhalten sollten hier nicht die Firmen, die ihre Leistungen am billigsten anbieten sondern die, die ein hohes Maß an Transparenz vorweisen können und bereits in der Vergangenheit bewiesen haben, dass auch die beschäftigten Subunternehmer sauber sind. Gründliche Prüfmechanismen sind entscheidend, um illegale Aktivitäten und damit den Einfluss organisierter Kriminalität zu verhindern.
Ein weiterer Faktor zur Bekämpfung und Verhinderung illegaler Einflüsse auf Baustellen ist die Korruptionsprävention: Strikte Regelungen, Compliance-Programme, und Whistleblower-Schutz sind notwendig, um Korruption zu vermeiden und ethisches Verhalten zu fördern. Ein Negativbeispiel aus der Vergangenheit ist der Korruptionsskandal am Berliner Flughafen BER. Dieser dreht sich um den ehemaligen Baubereichsleiter und Prokuristen Francis G., der beschuldigt wird, Bestechungsgelder von Imtech im Austausch für ungerechtfertigte Millionenzahlungen erhalten zu haben. Trotz anonymer Hinweise auf Bestechung im Jahr 2013 blieben Konsequenzen aus. Die Ermittlungen, die 2014 begannen, führten zur Sicherstellung von 300.000 Euro in bar bei G., wobei ein Insider sogar von zwei Millionen Euro spricht. Der Fall zeigt, wie weitreichend Korruption im Bauwesen sein kann, insbesondere bei Großprojekten wie dem BER.

Ein weiterer wichtiger Baustein zur Verhinderung krimineller Aktivitäten ist die Vermeidung von Preisdumping. Es ist wichtig, eine angemessene Preisgestaltung sicherzustellen und Qualitätsstandards zu überwachen, um zu verhindern, dass Unternehmen sich gegenseitig unterbieten und damit langfristig wirtschaftlich instabil werden. Ebenso wichtig ist die Vermeidung von Lohndumping. Gerade bei öffentlichen Bauvergaben sollten die Einhaltung von Tarifverträgen und Mindestlohnvorschriften sichergestellt werden.

Durch diese Maßnahmen fördern öffentliche Bauvergaben Integrität und Fairness im Baugewerbe und leisten einen wesentlichen Beitrag zur Bekämpfung von organisierter Kriminalität, Korruption, Preis- und Lohndumping. Soweit die Theorie.

 

Behördenversagen und politische Untätigkeit

 

Das Versagen der Behörden und die mangelnde Umsetzung entsprechender Maßnahmen zur Datenübermittlung tragen zur Verschärfung des Problems bei. Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Zolls und die Einzugsstellen der Sozialversicherung agieren oft ineffektiv. Die politisch Verantwortlichen reagieren auf das Problem ausweichend oder gar nicht, obwohl eine einfache administrative Maßnahme erheblichen finanziellen Schaden verhindern könnte. Ein koordiniertes Vorgehen der Behörden, bessere Datentransparenz und politische Entschlossenheit sind jedoch entscheidend, um die organisierte Schwarzarbeit im Baugewerbe effektiv zu bekämpfen und die daraus resultierenden Milliardenschäden für die deutsche Wirtschaft zu minimieren. kw

 

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Bild: KI

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