Baugewerbe begrüßt Verschiebung der EU-Verordnung zu entwaldungsfreien Lieferketten – Bürokratiebremse für den Mittelstand gelöst
Die EU-Botschafter haben am 19. November ihren gemeinsamen Standpunkt zur Verordnung über entwaldungsfreie Lieferketten (EUDR) festgelegt – und der deutsche Mittelstand atmet durch. Die Einführung der Verordnung wird um ein Jahr verschoben, gleichzeitig sollen die ursprünglich enormen Dokumentationspflichten spürbar entschärft werden. Eine Entscheidung, die im Baugewerbe fast schon mit Erleichterung gefeiert wird.
„Die EU-Mitgliedstaaten haben heute eine wichtige Entscheidung für das Handwerk und die Baubranche getroffen“, sagt Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes Deutsches Baugewerbe (ZDB). „Der Kompromiss folgt dem deutschen Vorschlag – und das ist gut so. Die Verschiebung war überfällig. Die ursprünglichen Pflichten hätten vor allem kleinere und mittlere Betriebe in der Lieferkette überfordert.“ Demnach hätten Tischler, Schreiner, Zimmereien und andere holzverarbeitende Betriebe für jede verwendete Holzart detaillierte Nachweise über Herkunft und Entwaldungsfreiheit führen müssen.
Pakleppa betont die Rolle Deutschlands in der Debatte: „Deutschland hat sich dankenswerterweise geschlossen für den Mittelstand stark gemacht. Mit ihrer Entscheidung haben die EU-Botschafter mittelständische Bauunternehmen vor enormem bürokratischem Aufwand bewahrt.“ Nun liegt der Ball beim EU-Parlament – die Abgeordneten müssen den Ratsbeschluss bestätigen.
Die EU-Kommission wiederum ist verpflichtet, bis April 2026 weitere Entlastungen zu prüfen. Angesichts der Komplexität globaler Lieferketten, gerade bei Holz, Gummi oder Agrarrohstoffen, ist das ein entscheidender Schritt.
Was steckt hinter den „entwaldungsfreien Lieferketten“ – und warum war die Aufregung so groß?
Die EUDR (EU Deforestation Regulation) ist kein exotisches Randthema, sondern eines der ambitioniertesten Umweltvorhaben der Europäischen Union der letzten Jahre. Die Idee dahinter klingt einfach: Produkte sollen in der EU nur dann gehandelt werden dürfen, wenn ihre Herstellung nicht zu Entwaldung oder Waldschädigung geführt hat.
Dass die EU hier aktiv wurde, war kein Zufall:
- Studien zeigten, dass die EU einer der größten Treiber globaler Entwaldung ist – durch den Import von Holz, Leder, Soja, Palmöl, Kakao und anderen Rohstoffen.
- Bereits 2019 kündigte die EU an, stärker gegen globale Entwaldung vorzugehen.
- Umweltorganisationen drängten auf verbindliche Regeln statt freiwilliger Standards.
Die EUDR wurde 2023 beschlossen und sollte eigentlich 2025 scharf geschaltet werden.
Welche Produkte sind betroffen?
Die Liste ist lang – und viele Bereiche des Baugewerbes wären direkt betroffen:
- Holz und Holzwerkstoffe
- Papier, Karton, Druckerzeugnisse
- Gummi (z. B. Bodenbeläge, bestimmte Maschinenbestandteile)
- dazu agrarische Rohstoffe wie Kaffee, Soja oder Rind, aus denen Baubetriebe indirekt Produkte beziehen (z. B. Arbeitsmaterialien)
Warum war die EUDR so umstritten?
Weil sie in der ursprünglichen Fassung etwas verlangte, das selbst große Unternehmen kaum leisten können – geschweige denn kleine Handwerksbetriebe:
- Geolokationsdaten jeder einzelnen Rohstoffquelle
- lückenlose Rückverfolgbarkeit bis zum Ursprungsacker oder Waldstück
- umfassende Risikoprüfungen für jede einzelne Lieferung
- digitale Nachweise und Dokumentationspflichten in Echtzeit
Theoretisch wirksam. Praktisch kaum machbar.
Dass viele Lieferketten – gerade im Holzbereich – oft über mehrere Handelsschritte, Länder und Zwischenhändler laufen, machte die Umsetzung zusätzlich schwierig.
Warum die Verschiebung als Erfolg gilt
Weil die Branche sonst vor einem Bürokratiemonster gestanden hätte, das weder zeitlich noch strukturell zu bewältigen gewesen wäre. Für viele Betriebe hätte die EUDR bedeutet:
- unklare Lieferbarkeit bestimmter Materialien
- immense Zusatzkosten durch Dokumentation
- rechtliche Risiken bei kleinsten Abweichungen
- Verzögerungen auf Baustellen
- eingeschränkte Materialverfügbarkeit
Durch die Verschiebung bekommen nicht nur Unternehmen, sondern auch Behörden die notwendige Zeit, um Daten-Infrastrukturen aufzubauen, Prozesse anzupassen und praktikable Regeln zu entwickeln.
Was bedeutet das für die Bauwirtschaft?
Kurzfristig:
• Entspannung, weil die gefürchtete EUDR-Bürokratie nicht im Jahr 2025 über alle hereinbricht.
Mittelfristig:
• Planungssicherheit, weil die Kommission bis 2026 konkrete Entlastungen prüfen muss.
Langfristig:
• Nachhaltige Lieferketten werden trotzdem kommen – nur hoffentlich in einer Form, die auch KMU abbilden können.
Felix Pakleppa fasst es so zusammen: „Wir brauchen praktikable Regeln – keine Überforderung des Mittelstands.“
Bis zur endgültigen Entscheidung liegt der Blick nun auf Brüssel – und die Branche wartet gespannt, ob das EU-Parlament dem gefundene Kompromiss folgt. Die illegale Abholzung von rumänischen Urwäldern – offenbar von korrupten Institutionen toleriert - geht indes munter weiter.
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Redaktion
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