Münchner Paketpost-Areal: Zwillingstürme mit 155 Meter genehmigt
Münchens derzeit wohl umstrittenstes Bauprojekt wurde am 15. Januar vom Planungsausschuss gebilligt. Ikonisches Ausrufezeichen des Projekts sind zwei 155 Meter hohe Türme. Münchens Hochhausgegner, der Verein „Hochhausstopp“, hat bereits die 40.000 Stimmen für ein Bürgerbegehren zusammen.
Es geht an der ehemaligen Paketposthalle um ein Bauvorhaben, das für München eine Wirkmacht über Generationen entfalten dürfte - wenn es so kommt wie geplant. Gemeint ist das sogenannte Paketpost-Areal. In dessen Zentrum steht die denkmalgeschützte freitragende Paketposthalle mit der enormen Spannweite von 147 Metern, einer Länge 124 Meter und einer stützenfreie Höhe von 31 Meter. Ein Zeugnis erstklassiger Ingenieurskunst.
Das 8,7 Hektar große Grundstück gehört der Büschl Unternehmensgruppe, die Herzog & de Meuron mit der Entwicklung eines Masterplans beauftragt hat. Die neue Nutzung des Areals ruft förmlich nach einem städtebaulichen Ausrufezeichen.
Ein neues Stadtquartier mit Zwillingstürmen
Entstehen sollen auf dem ehemaligen Gewerbegebiet im Stadtteil Neuhausen ein neues Wohn- und Geschäftsviertel in Mischnutzung. Investor Ralf Büschl will insgesamt über 1000 Wohnungen bauen, dazu Räume für 3000 Arbeitsplätze, Häuser für Kinder mit insgesamt 17 Krippen-, 17 Kindergarten- und sechs Hortgruppen und ein Seniorenheim.
Fast alle Parteien stehen dahinter
SPD, Grüne, CSU und FDP stellten sich klar hinter das Projekt. Dagegen stimmten Linke und München-Liste. In München mangelt es vor allem an bezahlbarem Wohnraum. Nach den Vorgaben der Stadt müssen allerdings 40 Prozent der fast 1.200 Wohnungen in dem geplanten neuen Viertel gefördert oder preisgedämpft sein. Ob das zur Entspannung auf dem Münchner Mietmarkt beiträgt ist nicht sicher. Denn „preisgedämpft“ auf Münchner Niveau bedeutet immer noch relativ teuer. Kaum vorstellbar, dass die chicen Wohntürme auch Sozialwohnungen beinhalten werden.
Doch Oberbürgermeister Dieter Reiter meint: „Wir brauchen als Stadt nicht Stillstand, sondern Entwicklung. Mit diesem für München einmaligen Projekt bietet sich die Chance, die ehemalige Paketposthalle der Öffentlichkeit für verschiedenste Freizeitangebote und kulturelle Nutzungen zur Verfügung zu stellen. Gleichzeitig werden im direkten Umfeld der Halle auch 1.200 neue Wohnungen entstehen – unter anderem in den zwei spektakulären Türmen. Ich begrüße, dass es gelungen ist, mit dem Investor zusätzlich zu den geförderten Wohnungen auch noch die Realisierung weiterer bezahlbarer Wohnungen für Menschen in systemrelevanten Berufen, wie zum Beispiel in den Bereichen Pflege, Polizei oder Feuerwehr, in einem der beiden hohen Türme zu vereinbaren.“ Neben den Türmen sind noch ein 65 Meter hohes Gebäude und mehrere sechs- bis siebengeschossige Bauten vorgesehen.
Sind 155 Meter hohe Wohntürme zu hoch für München?
Aber müssen es 155 Meter Höhe sein? Der Verein „Hochhausstopp“ befürchtet einen Eingriff in die Lebensqualität und eine Zerstörung der Silhouette der Stadt: „ Mit klotzigen und teuren Hochha?usern kann weder die Wohnungsnot beka?mpft, stadtklimatisch sensibel geplant, nachhaltig o?kologisch gebaut noch familienfreundliches Wohnen ermo?glicht werden.“ Auch das Denkmalamt fordert eine Höhenbegrenzung der Türme auf 60 Meter wegen der Sichtachse zum Nymphenburger Schloss. Bislang unberücksichtigt blieben auch der Schattenwurf der Türme und durch sie induzierte Fallwinde. Diese könnten den geplanten Park in dem Areal unattraktiv machen. Hierzu sollen noch Studien entstehen.
Historische Paketposthalle wird ein Raum für alle
Und was wird aus der alten Paketposthalle, deren geschwungenes Dach und Weite den geplanten Zwillings-Türmen als "Maßstab für die Höhe und die Ausformung" dienen, wie es in der Zusammenfassung des Planungsreferats heißt? Die Entwickler stellen sich vor, dass die Halle ein Raum für alle wird. Ein öffentliches Highlight. Im Souterrain entstehen Veranstaltungs- und Konzertflächen für bis zu 3.000 Besucher, Proberäume für Musiker, Galerien und Inspirationsmomente. Auf der Ebene der Halle wird es Platz für Konzerte, Sport, Märkte, Freizeit, junge Unternehmen und Gastronomieangebote geben. Wechselnd, vielfältig und natürlich Kunst und Kultur. Zum Erleben, zum Mitmachen und Gestalten. Das hört sich ein wenig an wie „Friede, Freude, Eierkuchen“. Man muss abwarten, wie sich das in der Nutzungsrealität darstellen wird.
Türme - urbane Zukunft oder Zerstörung der Gemütlichkeit
Rein vom Architekturästhetischen her könnte trotz der nicht unplausiblen Argumente der Hochhausgegner eine Höhenkastrierung der Türme die Harmonie des Gesamtensembles stören. Den Fall einer demokratischen Zwangsverzwergung hatte München schon mal als Hochhausgegner die Gebäudehöhe des sogenannten SV-Hochhauses in Berg am Laim per Bürgerentscheid von 145 Meter auf 99 Meter runterkürzten. Der dort untergebrachte Süddeutsche Verlag (mit Süddeutscher Zeitung) war damals bestürzt darüber, lieferte aber einen brauchbaren Neuentwurf, jedoch mit Verlust von 10.000 Quadratmetern Nutzfläche. SV-Geschäftsführer Hanswilli Jenke sagte damals, dass der neue Entwurf "optisch gelungen" sei, aber nicht an das "Idealprojekt" des ursprünglichen Konzepts heran komme.
Die von den durchaus enormen Ausmaßen der Paketposthalle inspirierte Höhe der beiden Türme wird sich aus wohl Gründen architektonischer Harmonie nicht soweit kürzen lassen, wie sich das die Gegner mit ihren Verdikten „nicht höher als 100 Meter (so hoch sind die Frauentürme) oder gar „nicht höher als 60 Meter“ (Denkmalschutz) wünschen. Aber wie heißt es in München: „A bisserl was geht immer“.
Falls der Bürgerentscheid (noch vor August möglich) sich für die hohen Türme ausspricht, könnte die Vollversammlung des Münchner Stadtrats am Jahresende endgültiges Baurecht schaffen. Falls er sich dagegen ausspricht, droht die komplette Neuplanung. hjk
Fotos: Herzog/DE MEURON
Schwarzmeier GmbH
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