Fachkräftemangel belastet noch immer die Bauwirtschaft
Wo sind nur die Fachkräfte hin? Diese Frage stellt sich die deutsche Bauwirtschaft nun schon seit einigen Jahren und ein Ende ist nicht in Sicht. So hat sich der Mangel an verfügbaren Fachkräften gar zum größten Geschäftsrisiko im Baugewerbe entwickelt. Und das weit vor dem Faktor ‚Hohe Arbeitskosten‘. Schon zum Jahresanfang 2019 wurde das Fehlen von Fachkräften von 81% der Unternehmen im Baugewerbe als Risiko für die eigene wirtschaftliche Entwicklung genannt, wie eine Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages ergab. Zum Vergleich: 2010 wurde dieser Faktor nur von 21% der Befragten genannt.
Verschiedene Ursachen führen zum selben Ergebnis: Fachkräftemangel
Die Gründe für den anhaltenden Fachkräftemangel im Baugewerbe sind vielseitig. Einer der Hauptgründe bleibt jedoch der demografische Wandel in Deutschland. Während die sogenannte Baby-Boomer-Generation immer mehr das Alter des wohlverdienten Ruhestands erreicht, rücken mit den Absolventen der darauf folgenden geburtenschwachen Jahrgängen nicht genug Nachfolger nach. Das bildet sich in der Beschäftigten-Pyramide der Bauwirtschaft ab: Im Jahr 2000 lag der Schnitt bei den gewerblichen Arbeitnehmern, die 45 Jahre oder älter waren, noch bei 32%. Im Jahr 2017 hatte sich diese Zahl bereits auf 50% erhöht.
Jährlich gehen aktuell mehr als 11.000 Bauarbeiter in der westdeutschen Bauwirtschaft in Rente. In der gesamtdeutschen Sicht müssten damit pro Jahr etwa 15.500 neue Bauarbeiter eingestellt werden, so die Schätzungen des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie. Erschwerend kommt hinzu, dass das Baugewerbe ein klassisches Metier der Ausbildungsberufe ist. Die Zahl der Schulabgänger mit entsprechendem Abschluss sinkt derzeit jedoch deutlich. Hinzu kommt der schlechte Ruf von Bauberufen: Sei es die hohe körperliche Belastung oder das immer noch hohe Berufsrisiko zum Beispiel im Tiefbau.
Kein besseres Bild im akademischen Bereich
Aber auch im akademischen Bereich genießt das Bauwesen nicht den besten Ruf. Ein Studium im Bauingenieurwesen bietet immer noch die geringsten Verdienstperspektiven im direkten Vergleich zum Beispiel zum Maschinenbauwesen. Obwohl die Gehälter jährlich inzwischen bis zu 5% steigen.
Auch bei Arbeitskräften im Bestand steigen die Abwanderungszahlen. Bei Befragten wurden unter anderem gesundheitliche Gründe (38%), ökonomische Rahmenbedingungen und schlechter Lohn (25%), Insolvenz des Arbeitgebers (13%) und eine hohe Arbeitsbelastung (12%) genannt. Die Fluktuation geht in Richtung der Verarbeitende Gewerbe, gefolgt vom öffentlichen Bereich und dem Handel. Dabei ist der Abschied vom Baugewerbe für 40% der Befragten endgültig, besonders für junge Arbeitnehmer.
Strategien zur Problemlösung des Fachkräftemangels im Baugewerbe
Die Gesamtentwicklung des Fachkräftemangels im Bauwesen setzt dabei auch die Bundesregierung in Alarmbereitschaft. Bereits im März 2019 wurden Strategien zur Verbesserung der Lage bei einem Gipfeltreffen mit Vertreterinnen und Vertretern aus Verbänden der Bauwirtschaft, der IG BAU sowie der Bundesarchitektenkammer und der Bundesingenieurkammer diskutiert.
Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat, Horst Seehofer, äußerte sich dazu wie folgt: „Zusätzlich zur besseren Nutzung der inländischen Potenziale und des europäischen Bewerbermarkts brauchen wir gut ausgebildete Fachkräfte aus Drittstaaten. Deshalb haben wir ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz auf den Weg gebracht, von dem auch die Bauwirtschaft profitieren wird und das zwei Ziele verfolgt: die weitere Reduzierung der illegalen Migration sowie die Deckung des Arbeitskräftebedarfs der Wirtschaft.“
Könnten auch Flüchtlinge eine Lösung für das Problem sein? Immerhin bildet bereits jedes fünfte Bauunternehmen Geflüchtete aus. Da es entsprechende Ausbildungen in den meisten Herkunftsländern nicht gibt, sind kaum Baufachkräfte unter den eingetroffenen Flüchtlingen mit Aufenthaltsgenehmigung zu finden. Dennoch ist die Entwicklung positiv. Bereits 2017 konnten 3.100 Personen aus Kriegs- und Krisenländern für die Ausbildung im Baugewerbe vermittelt werden. Das entspricht der dreifachen Menge im Vergleich zum Vorjahr. Zusätzlich zur fachlichen Ausbildung müssen allerdings auch Sprachkurse etabliert werden, da sonst die mangelnden Sprachkenntnisse eine zu hohe Hürde darstellen, verbunden mit einem unklaren Aufenthaltsstatus.
Innovative Konzepte als Gegenmaßnahme
Um das Baugewerbe für Schulabgänger und bestehende Fachkräfte wieder attraktiver zu gestalten, könnten jedoch auch ungewöhnliche Wege gefunden werden. Eine solche Möglichkeit wählte zum Beispiel ein Gelsenkirchener Handwerksbetrieb. Dort wurde in einem Pilotprojekt eine 4-Tage-Woche für Monteure als Arbeitszeitmodell eingeführt. Das Feedback der Mitarbeiter und Kunden war durchweg positiv.
Kein Wunder: Jede Woche ein langes Wochenende zu haben, steigert die Motivation und die Monteure starten ausgeruht in die Arbeitswoche. Mehr Familienzeit steigert die Lebensqualität. Zudem hat sich der Tischlereibetrieb dazu entschlossen, vermehrt Quereinsteiger als Bewerber einzuladen, solange bei diesen handwerkliches Geschick und Lernbereitschaft vorhanden ist. Die Mitarbeiter, Bewerber und ihre Familien zeigen sich begeistert und zumindest dieser Bau-Betrieb braucht sich um fehlende Fachkräfte in Zukunft nicht zu sorgen.