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Hannover-Kronsrode: Stadtteil der Zukunft oder Massenwohnen im Großformat?

In Hannover entsteht eines der größten Bauprojekte der Region: der neue Stadtteil Kronsrode. Mit rund 4000 Wohneinheiten soll er zukünftig über 9000 Menschen ein Zuhause bieten. Während auf der einen Seite Wohnraum in deutschen Städten knapp ist und Kronsrode die dringend benötigte Entlastung für Hannover bringt, wirft das Großprojekt andererseits auch Fragen auf. In Reih und Glied geschachtelte Wohnblocks schaffen auf relativ wenig Fläche möglicherweise bezahlbare Ein- bis Fünfzimmerwohnungen. Dies bietet Vorteile wie eine effizientere Flächennutzung und möglicherweise bezahlbare Mieten. Doch was bedeutet diese Verdichtung für die Lebensqualität der Bewohner? Und wie wirken sich Termin- und Leistungsdruck auf diejenigen aus, die den Stadtteil Kronsrode entstehen lassen?

 

Mit Kronsrode entsteht in Hannover eines der größten Bauprojekte Niedersachsens – ein ganz neuer Stadtteil, der bald mehr als 9.000 Menschen ein Zuhause bieten wird. Geplant ist kein bloßes Wohngebiet, sondern ein kompletter Lebensraum mit sozialer Infrastruktur, Nahversorgung und Grünflächen. Doch während die Planer Kronsrode als „Stadt draußen in der Stadt“ feiern, sehen einige Kritiker die Sache weniger optimistisch.

 

Sozialer Brennpunkt mit Ansage?

 

Denn die riesigen Wohnblocks und die dichte Bebauung stoßen nicht nur auf Begeisterung. „Gesichtslos, charakterlos, einfallslos – einfach grauenhaft, was hier in übergroßen Ausmaßen hingezimmert wurde“, schimpft ein Google-Rezensent. „Das Wohnen gleicht hier einer regelrechten Massenhaltung.“ Und das ist keine Einzelmeinung. Viele Kommentatoren bemängeln, dass Kronsrode den Fehlern anderer Großbauprojekte folgt, indem auf engstem Raum viele Menschen aus unterschiedlichsten Kulturkreisen zusammengepfercht werden. „Warum werden immer wieder dieselben städtebaulichen Fehler gemacht?“, fragt ein anderer Nutzer. Die Sorge: Kronsrode könnte schnell zum sozialen Brennpunkt werden, wie es auch in anderen Vierteln wie beispielsweise dem benachbarten Bemerode-Kronsberg oder dem Sahlkamp der Fall ist.

 

Hannover-Sahlkamp, ein Stadtteil im Norden der Stadt, ist vor allem durch seine Hochhaussiedlungen und die starke soziale Durchmischung bekannt ist. Er entstand in den 1960er und 1970er Jahren als Wohngebiet und wurde lange Zeit mit sozialen Herausforderungen wie hoher Arbeitslosigkeit und Kriminalität in Verbindung gebracht. In den letzten Jahren wurden jedoch viele Maßnahmen zur Stadtteilentwicklung unternommen, darunter Modernisierungen, bessere soziale Angebote und Integrationsprojekte. Droht nun also Kronsberg dasselbe Schicksal?

 

Planer sehen Kronsrode als hochattraktives Stadtquartier

 

Eine düstere Prognose, die aber nicht alle teilen. Denn für die Stadt Hannover und die Bauträger ist Kronsrode ein Vorzeigeprojekt. „Das ist ein hochattraktives Stadtquartier mit hervorragender Anbindung an die Innenstadt und einer erstklassigen Grünausstattung“, erklärt Stadtbaurat Thomas Vielhaber im Interview. Die Planer haben Kronsrode so konzipiert, dass es als autarker Stadtteil funktioniert. Supermärkte, Kitas, Schulen und öffentliche Plätze sollen sicherstellen, dass die Bewohner alles Notwendige direkt vor der Haustür haben – von Nahversorgung bis hin zu Freizeitangeboten. „Hier entsteht kein anonymer Betonklotz, sondern ein lebenswertes Quartier“, betont Timo Weiland, einer der beteiligten Bauträger. „Wir schaffen eine Balance aus städtischem Komfort und naturnaher Erholung.“

 

Und tatsächlich gibt es auch positive Stimmen. Ein junger Anwohner, der gerade in Kronsrode eingezogen ist, sieht das Ganze entspannter: „Wer sagt, es sei alles dicht an dicht gebaut, sollte sich doch mal in anderen Stadtteilen umsehen. Wohnraum ist knapp. Man kann ja nicht alle 50 Meter ein neues Haus bauen.“ Er schätzt die Nähe zur Natur und die gute Anbindung: „Mit der Bahn bin ich in 20 Minuten in der Stadt, und die Aussicht vom Kronsberg ist großartig.“

 

Der Kronsberg, der sich direkt an das Baugebiet anschließt, ist ein Landschaftsschutzgebiet und bietet vielen Tier- und Pflanzenarten einen geschützten Lebensraum. In den Planungen für Kronsrode wurde daher besonderer Wert auf den Erhalt und die Einbindung der umliegenden Natur gelegt, um den Anwohnern weiterhin Zugang zu Grünflächen und Erholungsräumen zu bieten. Das ist durchaus positiv zu bewerten. Und dennoch, in letzter Konsequenz mutet der Stadtteil, dessen Fertigstellung für das Jahr 2030 geplant ist, an, wie eine klotzige Steinwüste. Jedoch eine mit nicht unerheblichen Vorteilen.

 

Steinwüste im attraktiven Grünumfeld

 

Besonders hervorzuheben ist die moderne Infrastruktur: Von Anfang an sind Supermärkte, Schulen, Kitas und Freizeitangebote vorhanden, was den Alltag erheblich erleichtert. Alles Wichtige ist fußläufig erreichbar, sodass lange Wege entfallen. Dazu kommt die hervorragende Anbindung an die Innenstadt von Hannover durch die Stadtbahn, die es ermöglicht, auch ohne Auto mobil zu sein. Trotz der urbanen Bebauung grenzt Kronsrode an das Naherholungsgebiet Kronsberg, was besonders Naturfreunde schätzen werden. Die vielen Parks und Grünflächen bieten Raum zur Erholung und tragen zur hohen Lebensqualität bei.

 

Darüber hinaus bietet Kronsrode eine große Vielfalt an Wohnformen – von geförderten Wohnungen bis hin zu exklusiven Penthäusern, was den Stadtteil für verschiedene Lebenssituationen und Budgets attraktiv macht. Diese Vielfalt fördert gleichzeitig eine soziale Durchmischung, die das Quartier lebendig und abwechslungsreich gestaltet. Hier leben unterschiedliche Bevölkerungsgruppen zusammen, was das Gemeinschaftsgefühl stärken kann.

 

Dem stehen die Nachteile gegenüber. Die dichte Bebauung mit großen Wohnblocks und einer hohen Einwohnerzahl kann bei den Bewohnern das Gefühl von Enge und Anonymität hervorrufen. Kritiker bemängeln zudem, dass Kronsrode aufgrund seiner modernen, gleichförmigen Architektur „gesichtslos“ wirkt und den Charme gewachsener Stadtteile vermissen lässt.

 

Ein weiteres potenzielles Problem könnte die soziale Durchmischung darstellen. In dicht besiedelten, neu errichteten Stadtteilen besteht immer die Gefahr, dass soziale Brennpunkte entstehen, wenn verschiedene Kulturen und soziale Schichten auf engem Raum zusammenleben. Auch ist Kronsrode derzeit noch im Bau. Viele Bewohner müssen mit Baulärm und noch unvollständiger Infrastruktur leben. Leben auf einer Baustelle beeinträchtigt den Wohnkomfort erheblich.

 

Auch die Verkehrsbelastung könnte in Zukunft problematisch anwachsen. Trotz der guten Anbindung besteht die Möglichkeit, dass der Autoverkehr stark zunehmen, sobald alle Wohnungen bezogen sind. Engpässe bei Parkplätzen und mehr Verkehr im engräumigen Quartier könnten den Alltag der Bewohner belasten.

 

Großbaustelle unter enormem Termindruck

 

Ein anderer wichtiger Aspekt, der nicht vergessen werden darf, ist der Druck, unter dem die Bauarbeiter stehen. Viele Wohnungen sind bereits vermietet, und die Einzugstermine stehen fest, während die Bauarbeiten noch im vollen Gange sind. Enge Zeitvorgaben und hoher Leistungsdruck bestimmen den Alltag der Arbeiter. Was bedeutet das für die Arbeitsbedingungen auf der Baustelle, die Sicherheit der Arbeiter und die Qualität der Bauausführung? Ein Bauarbeiter, der anonym bleiben möchte, beschreibt die Situation: „Es ist nicht leicht, alles so schnell wie möglich fertigzustellen, wenn die Menschen schon einziehen und ihre Erwartungen hoch sind.“

 

Auf einer Großbaustelle wie Kronsrode müssen die unterschiedlichen Gewerke perfekt aufeinander abgestimmt sein. Jedes Team, ob Elektriker, Maler oder Installateure, hängt vom Fortschritt der anderen ab. Kommt es in einem Bereich zu Verzögerungen, geraten die nachfolgenden Gewerke unweigerlich ins Hintertreffen. Dieser Dominoeffekt sorgt für zusätzlichen Druck, da es oft wenig Spielraum für Nachbesserungen oder Zeitverluste gibt. Die Arbeiten gleichen einem Akkord, bei dem eine Wohnung nach der anderen fertiggestellt wird – unter strenger Einhaltung der vorgegebenen Fristen.

 

In einer NDR-Dokumentation wird das Großbauprojekt durchweg positiv beleuchtet. Die souveräne Führung durch den Bauleiter und seinen Polier erwecken den Eindruck, dass die Arbeiten weitestgehend reibungslos verlaufen und Verzögerungen, sei es durch Material, welches gerade nicht lieferbar ist oder Fachkräftemangel bei den einzelnen Gewerken, locker wieder wettgemacht werden können. Doch hinter den Kulissen stehen sowohl die Bauleiter als auch die Bauarbeiter unter enormem Druck, den vorgegebenen Zeitplan einzuhalten. Um das zu erkennen, benötigt man nicht allzuviel Fantasie. Jeder Fehler kann die Fertigstellung der nächsten Wohnung verzögern, was nicht nur zu Stress, sondern auch zu potenziellen Qualitätseinbußen führen kann. Der Wunsch, die Wohnungen termingerecht an die Mieter zu übergeben, fordert den Arbeitern höchste Präzision und Schnelligkeit ab – ein Balanceakt, der nicht selten an die Grenzen des Machbaren stößt.

 

Ein Stadtteil der Gegensätze

 

Während die Planer Kronsrode als fortschrittliches, durchdachtes Wohnprojekt sehen, bleibt die Skepsis vieler Menschen bestehen. Die Architektur mag zweckmäßig und effizient sein, aber es bleibt die Frage, ob das Konzept der „Stadt in der Stadt“ wirklich das Potenzial hat, eine funktionierende, eine lebendige Gemeinschaft zu schaffen. Kronsrode ist ein Bauprojekt, das polarisiert. Die Zeit wird zeigen, ob sich bei den Bewohnern eine gute Wohn- und Lebensqualität einstellt oder ob die Anmutung einer geschachtelten Steinwüste das Geschehen dominiert und Kronsrode als gescheiterter städtebaulicher Versuch in die Geschichte Hannovers eingehen wird. In Kronsrode „eine „Blaupause für die Zukunft“ zu sehen, wie manche frohlocken, scheint indes hochgegriffen. Da gibt es zumindest im europäischen Ausland gelungenere Projekte. kw

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