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Kunst am Bau - Inventarisierung gefordert

Hundertwasserturm Foto by Pixabay
Hundertwasserturm Foto by Pixabay

Die Fraktion der Freien Wähler im Bayerischen Landtag hat einen Antrag im Parlament eingereicht, der eine Inventarisierung der Kunstobjekte am Bau in Bayern zum Ziel hat. Damit soll ein Überblick geschaffen werden, über den Gesamtbestand der Kunst an bayerischen Bauten. Ziel ist ein digitales Verzeichnis aller Kunstschätze, welches fortlaufend ergänzt und vervollständigt wird. Mit diesem Gesetzantrag zielen die Freien Wähler auf Kritikpunkte und Vorschläge des Obersten Rechnungshofes ab, der bereits 2019 bei einer Prüfung zu diesem Thema entsprechende Empfehlungen abgab. Gleichfalls ist ein Blick über die Grenzen des Freistaates interessant, um zu sehen, wie andere Bundesländer oder auch die Bundesrepublik dieser Frage begegnen.

 

 

Kulturstaat und Kulturstaatsgebot in der Verfassung

 

In der Bayerischen Verfassung ist in Art. 3 Absatz 1 der Freistaat als Rechts-, Kultur und Sozialstaat definiert. Entsprechende Bestimmungen finden sich auch in fast allen anderen Landesverfassungen Deutschlands. Aus Sicht des Grundgesetzes leitet sich das Kulturstaatsgebot lediglich aus Art. 5 Abs. 3 ab. Es wird die Freiheit der Kunst, der Wissenschaft, der Forschung und der Lehre als Grundrecht verankert. Die Freiheit der Kunst hat also Verfassungsrang. Eine umfassende Kunstfreiheit schließt nicht nur den Werkbereich ein, sondern auch den Wirkbereich. Also jenes Umfeld, in dem die Kunst der Bevölkerung zugänglich wird. Daraus lässt sich bereits eine staatliche Verpflichtung erkennen, Kunst finanziell zu fördern. Schließlich würde niemandem zugängliche Kunst ins Leere laufen und das Grundrecht auf Kunstfreiheit ausgehöhlt werden. Aus der Bayerischen Verfassung ergibt sich der klare Auftrag an den Freistaat, Kunst zu fördern. An Bauten, an denen der Staat beteiligt ist, muss Kunst entsprechend gefördert werden. Mit bis zu zwei Prozent der Bausumme werden Kunstprojekte am Bauwerk in Bayern begünstigt. An Bauwerken der Bundesrepublik werden ein Prozent der Bausumme in künstlerische Werke investiert. Historisch geht die Kunstförderung auf die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg zurück. Aufgrund der Existenznöte freischaffender Künstler nach Kriegsende sah sich die Weimarer Republik (auch sie hatte Bestimmungen der Kunst- und Kulturförderung) veranlasst, Kunst an öffentlichen Gebäuden zu fördern und die existenzielle Not der Kunstschaffenden zu lindern.

 

Was ist Kunst am Bau oder Baukunst?


Kunst kann nicht normiert werden. Der Begriff muss daher weit und pluralistisch ausgelegt werden und ist nicht auf die klassischen Gegenstände wie Malerei, Bildhauerei, Musik und Dichtung beschränkt. Fraglich ist, was nicht unter Kunst fällt und wo hier die Grenzen verlaufen. Wäre es denn bereits eine künstlerische Aussage, wenn an einem Bauwerk einige Fenster nicht senkrecht, sondern in einem beispielsweise 45 Grad geneigten Winkel in das Gebäude einfließen würden? Insbesondere mit Blick auf gesellschaftliche Strömungen, welche Diversität und Andersartigkeit zur staatlichen Aufgabe erheben, um Minderheiten, egal welcher Art, zu gesellschaftlicher Akzeptanz zu verhelfen. Oder ist allein das erschaffene Bauwerk bereits Kunst? In der ländertypischen Architektur spiegelt sich ebenfalls Kultur wider. Beispielsweise in norddeutschen Klinkerbauten, den Fachwerkhäusern Mitteldeutschlands oder dem oberbayerischen Landhausstil. Kunst kann auch um den Bau herum Räume schaffen. Beispielsweise in gärtnerischer Gestaltung der Außenanlagen.

 

Kunst und Funktionalität


Eine Empfehlung des Rechnungshofes Bayerns war, auch die zukünftigen Anwender in die künstlerische Planung einzubinden und auch Pflege- und Unterhaltsaufwendungen zu berücksichtigen. Schlimmstenfalls wird dem Kunstwerk nicht die entsprechende Achtsamkeit geschenkt, wenn kein Einklang mit der Nutzung des Bauwerkes erkennbar ist. Überfordern Pflege und Unterhalt die Nutzer, da entweder der Bezug des Werkes zum Gebäude nicht erkennbar ist oder weil die schöpferische Gestaltung die Nutzer finanziell überlastet, verfallen diese vermeintlichen Schätze und die staatliche Aufgabe der Kunstförderung versandet in schlecht angelegten Steuergeldern. Daher schlägt der Rechnungshof vor, ein überregional tätiges Gremium aus Kunst- und Bausachverständigen zu schaffen, welches bei der Auswahl der Kunstwerke zu Baubeginn beratend zur Seite steht und bereits dort Empfehlungen zum Unterhalts- und Pflegeaufwand geben kann.

 

Bauhaus als Wegweiser


Die von Walter Gropius in Weimar gegründete Kunstschule stand exemplarisch für die Zusammenführung von Handwerk und Kunst. Auch wenn diese Abschnitt dem Zeitraum von 1919 bis 1933 zugeordnet wird, hat sie bis in die Gegenwart eine hohe Bedeutung für moderne Kunst. Wegweisend für die Epoche war das Zusammenwirken mit der Industrie. Produkte, wie der legendäre Clubsessel B 3 von Marcel Breuer, stehen für diese Zeit.
Raum und Funktionalität steht für diese Kulturepoche. Räume schaffen, mehreren  Zwecken dienend war Merkmal. Bauhausgebäude sollten Begegnungsstätte und auch Wohnbereich der Künstler und Arbeitenden sein. Die Kunstschule formte die Architektur und die Architektur schuf Gebäude. Näher kann Kunst am Bau nicht sein.

 

Kunst in den Fokus der Öffentlichkeit stellen


Öffentlich zugängliche Informationen zu Kunst an oder um Bauwerke herum kann die Akzeptanz der Bevölkerung Bauwerken gegenüber stärken. Wird das Leitbild des Kunstschaffenden erläutert, was die Motive seiner Idee waren, werden mehr Menschen erreicht und entsprechendes Interesse an diesen Objekten geschaffen. Damit vergrößert der Staat den Wirkbereich des Künstlers und dem Gebot des Kulturstaates wird Rechnung getragen. Als Lösung schlägt die Behörde ein virtuelles Museum vor. Beispielhaft hierfür steht das bavarikon oder auch das Museum der 1000 Orte. Das bavarikon ist das Internetportal des Freistaates Bayern zur Präsentation der Kunst- und Kultur und Wissensschätze. Dort kann über verschiedene Menüpunkte, beispielsweise Orte, Personen, Glanzlichter usw. nach kulturellen und historischen Schätzen gesucht werden. Die technische, organisatorische und redaktionelle Leitung dieses digitalen Museums führt die Bayerische Staatsbibliothek aus.

 

Kunst am Bau im Auftrag des Bundes seit 1950


Als öffentlicher Bauherr steht der Staat im besonderen Maße im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Baukulturelle Verantwortung und Vorbildfunktion prägen das Leitbild des öffentlichen Bauherrn. Das nationale Selbstverständnis wird durch Bauwerke ausgedrückt und vermittelt. Ebenso kann es Standorte aufgrund ihrer Regionalität unterstreichen. Bauaufgabe und künstlerische Idee sollen sich ergänzen und den Zweck des Gebäudes hervorheben.


Seit 2005 gibt es einen Leitfaden für Kunst am Bau der Bundesrepublik Deutschland. In ihm werden die kulturellen Ziele genannt, die Kunstarten erwähnt, die Planung, das Auswahlverfahren und auch die Kunstwettbewerbe geregelt.


Mit dem virtuellen Museum der 1000 Orte bietet die Bundesrepublik Einblicke in die Kunstwerke bestehender Gebäude. Auch werden Idee und Konzept erläutert. Verschiedene gedankliche Wege der Interpretation besprochen. Mit dieser digitalen Ausstellung bekommen Bürger Einblicke in Bauwerke, welche unter gewöhnlichen Umständen nahezu unmöglich wären. Auslandsbotschaften, Bundesbehörden oder auch der Eingang des Klimasekretariats mit dem Illuminator der marokkanischen Künstlerin Wafae Ahalouch EL Keriasti. Dieses ist im ehemaligen Bonner Abgeordnetenhochhaus untergebracht. Es wurde 1951/52 vom Deutschen Bundestag errichtet und bis 2004 genutzt. Ab 2009 wurde es saniert und 2013 dem Sekretariat der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC) als Dienstsitz übergeben.

 

Kunst in Rheinland-Pfalz virtuell


Mit „Kunst und Bau“ betreibt das Bundesland ebenfalls ein gestalterisch hochwertiges Digitalmuseum. Dort kann nach Kunstwerken und Künstlern gesucht werden. Außerdem gibt es Informationen zu künstlerischen Wettbewerben. Hintergrundinformationen zu Kunstwerken und ihrem regionalen Zusammenhang werden erläutert. Interessant sind vor allem die Begründungen der Jury in Preisentscheidungen. Beispielsweise die Entscheidung für einen Künstler, der die Außenfassade einer Kindertagesstätte gestaltete. Hier wird die Einrichtung, ihr Zweck und das Kunstwerk in Verbindung gebracht. Erwähnt wird auch die kindgerechte Linienführung der Gestaltung.

 

Kunst muss näher am Menschen und für ihn erkennbar sein. Die geforderte Inventarisierung in Verbindung mit einer virtuellen Galerie ist ein guter Weg, Kunstschätze einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Möglicherweise ist es der digitale Raum, der Menschen neugierig werden lässt und sie anschließend auch ein Museum oder andere Kulturstätten live besuchen. Dann hätte der Staat sein Kulturgebot tatsächlich verwirklicht.


Wiedergeburt einer Ikone der westlichen Moderne – Neue Nationalgalerie


Das verwendete Foto zeigt die Neue Nationalgalerie bei Nacht. Am 20. Dezember 2020 erstrahlte die obere Ausstellungshalle der Neuen Nationalgalerie im alten Glanz. Die Schlüsselübergabe des von Grund auf instandgesetzten Gebäudes fand am 29. April 2021 statt. Es gehört den Staatlichen Museen zu Berlin und der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Am 22. August 2021 wurde es wiedereröffnet.

 


Links zum Thema:


https://www.bbr.bund.de/BBR/DE/KunstamBau/kunstambau_node.html

https://kunstundbau.nrw/informationen/was-ist-kunst-und-bau/

http://www.quivid.com/new/index2.html

https://kunstundbau.rlp.de/de/start/

https://www.kuenstlerbund.de/deutsch/projekte/kunst-am-bau/kunst-am-bau.html

https://kunstundbau.nrw/informationen/was-ist-kunst-und-bau/

https://www.bbk-bundesverband.de/beruf-kunst/kunst-am-bau

https://www.bbr.bund.de/BBR/DE/KunstamBau/kunstambau_node.html

https://www.museum-der-1000-orte.de/kunstwerke/kunstwerk/the-illuminator

https://www.fib-bund.de/Inhalt/Leitfaden/KunstamBau/

 

Bildquelle: BBR / Thomas Bruns

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