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Kostengünstig bauen mit Gebäudetyp E

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 „E“ wie „einfach“ oder „experimentell“. DerGebäudetyp-E soll das Bauen in Deutschland wieder einfacher machen, weniger komplex und bürokratisch, aber vor allem kostengünstiger.

Ein Anliegen, das viele Planungsbeteiligte teilen. Die stark gestiegenen Baukosten waren dann auch ein Hauptgrund für diese Initiative. Bundesbauministerin Klara Geywitz: „Mit dem Gebäudetyp E ermöglichen wir einfaches und experimentelles Bauen. Bauen ist in Deutschland zu teuer. Wir tendieren häufig dazu, einen Goldstandard zu bauen. Das macht das Planen und Bauen aufwändig, personalintensiv und teuer. Das wollen wir ändern."

Beispielhaft zeigt das Foto oben eine Münchner Siedlung einer Wohnungsgesellschaft , die dem Gebäudetyp E ähnelt. Verzichtet wurde u.a. auf erhöhten Schallschutz, die elektrischen Leitungen in den Wohnung wurden über Putz verlegt und durch ein weißes Holzbrett "Medienleiste" genannt - abgedeckt. Einkommensabhöngig werden die Wohnungen für 9 Euro/qm vernietet (Stand 2022). 

 

Im Frühjahr 2024 stellte die Baunetzwoche#642 die Idee und Initiative des Gebäudetyp-E vor, inklusive aller Bedenken, möglicher Antworten auf viele Fragen und ersten Pilotprojekten aus Bayern. Nun ist die Bundesregierung am Zug, denn sie muss jetzt entscheidende Maßnahmen ergreifen, um die rechtssichere Umsetzung zu gewährleisten. Am 29. Juli stellte Bundesjustizminister Marco Buschmann einen Gesetzesentwurf in Form einer Pressemeldung vor. Das Maßnahmenpaket zielt darauf ab, der Krise im Bauwesen entgegenzuwirken und Wohnraum zu schaffen.


Wie sieht der neue Planungsansatz aus?


Der vorgeschlagene Planungsansatz für den Gebäudetyp-E ermöglicht es Planern und fachkundigen Bauherren, Beschaffenheitsvereinbarungen für Gebäude zu treffen, die von den „anerkannten Regeln der Technik“ (aRdT) abweichen dürfen. Die aRdT stehen bislang für umfassende Normen und Standards, die allgemein von Fachleuten als bewährte und sichere technische Vorgehensweisen angesehen werden. Sie werden in vielen Bereichen des Bauwesens angewandt, um sicherzustellen, dass Bauwerke sowohl in technischer als auch in sicherheitsrelevanter Hinsicht den aktuellen Anforderungen entsprechen.
Ein Abweichen von diesen anerkannten Regeln der Technik kann als Sachmangel betrachtet werden, es sei denn, es wird rechtlich und vertraglich anders geregelt, wie es beim Gebäudetyp-E angestrebt wird. Dies gilt, solange die Sicherheit und Qualität des Gebäudes nicht beeinträchtigt wird. Viele der heutigen Normen und Standards bedienen jedoch „überhöhten Komfortansprüche“, die das Bauen unnötig teuer und weniger nachhaltig machen oder den Bestandsbau behindern. Daher müssen neben bauordnungsrechtlichen Anpassungen auch zivilrechtliche Flankierungen in Bezug auf eventuelle Sachmängel vorgenommen werden.


Im Bereich des Bauordnungsrechts wurde bereits reagiert: Die Bauministerkonferenz der Länder hat in § 67 der Musterbauordnung (MBauO) eine Regelung geschaffen, die vereinfachte Abweichungen von bauordnungsrechtlichen Vorgaben ermöglicht. Ein Beispiel für solche Abweichungen betrifft den Einsatz alternativer Baustoffe und Bauweisen. So können Bauherren Holzbalkendecken anstelle der standardmäßigen Betondecken verwenden, wenn diese die gleichen sicherheitstechnischen Anforderungen wie Brand- und Schallschutz erfüllen. Auch was die vorgeschriebenen Mindestabstände zwischen Gebäuden angeht, dürfen Kompromisse gemacht werden. Hier können beispielsweise reduzierte Abstände genehmigt werden, sofern ausreichende Brandschutzmaßnahmen vorhanden sind. Auch bei den Brandschutzmaßnahmen selbst sind Abweichungen möglich.

Kostengünstiger Brandschutz

Anstelle einer vorgeschriebenen Löschanlage könnten alternative Maßnahmen wie Rauchabzugssysteme oder spezielle Brandmeldeanlagen verwendet werden, sofern sie den gleichen Schutz bieten. Modifizierte Rettungswege sind ein weiteres Beispiel. Ein Gebäude könnte erweiterte und gesicherte Außentreppen anstelle der vorgeschriebenen Anzahl von Treppenhäusern haben, solange diese Rettungswege die gleichen Sicherheitsstandards erfüllen. Innovative Energiekonzepte sind ebenfalls förderfähig. Ein Bauprojekt könnte anstelle konventioneller Heizsysteme ein Wärmerückgewinnungssystem nutzen, wenn die Energiebilanz und Versorgungssicherheit gewährleistet sind. Schließlich kann auch die Raumhöhe angepasst werden. Für bestimmte Nutzungskonzepte wie Lofts oder Ateliers könnte eine geringere Raumhöhe sinnvoll sein, solange Belüftung, Belichtung und Raumklima nicht beeinträchtigt werden. Diese Abweichungen ermöglichen es, das Bauen in Deutschland effizienter, kostengünstiger und individueller zu gestalten, ohne die grundlegenden Sicherheitsstandards zu vernachlässigen. Einige Bundesländer haben ihre Landesbauordnungen bereits angepasst, andere ziehen nach.


Leitlinien und praktische Hilfen


Das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) hat eine „Leitlinie und Prozessempfehlung Gebäudetyp E“ erstellt. Das 70 Seiten starke Dokument soll als Impulsgeber dienen, ist aber derzeit noch als Entwurf gekennzeichnet. Der Leitfaden bietet Projektbeteiligten Hinweise, wie Vereinbarungen für Architekten- und Bauverträge formuliert werden können, um rechtssichere Abweichungen von den aRdT zu ermöglichen. Praxisbeispiele reichen von Geschossdecken in Holz- oder Massivbauweise über die Anzahl der Steckdosen bis hin zur Norm-Innentemperatur. Die Empfehlungen berücksichtigen sowohl Neubauten als auch den Bestandsbau.


Dazu Bundesbauministerin Klara Geywitz: „Vertragspartner können künftig beim Bauen von kostenintensiven Standards rechtssicher abweichen und dennoch hohe Sicherheitsstandards einhalten. Davon profitieren beide Seiten: die Baubranche, weil Bauen kostengünstiger wird, und die Nutzerinnen und Nutzer, weil es preiswerter wird.“ Andrea Gebhard, Präsidentin der Bundesarchitektenkammer, ergänzt: „Durch die Möglichkeit, mit der Einführung des Gebäudetyp-E auf nicht notwendige Standards zu verzichten, können Bau- und Sanierungsprozesse nicht nur beschleunigt, sondern auch kostengünstiger und ressourcenschonender gestaltet werden. Dies trägt wesentlich zur Schaffung von bezahlbarem Wohnraum und zur Förderung innovativer Bauprojekte bei.“


Gesetzesentwurf vorgelegt - neue Rgelungen und Empfehlungen


Das Bundesjustizministerium hat nun den „Entwurf eines Gesetzes zur zivilrechtlichen Erleichterung des Gebäudebaus“ (Gebäudetyp-E-Gesetz) vorgelegt. Die Architekten- und Bauingenieurkammern sehen darin einen Durchbruch und großen Erfolg. Im Gesetzentwurf wird der Begriff der aRdT (= anerkannte Regeln der Technik) in § 650a des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), das den Bauvertrag regelt, konkreter gefasst. Sicherheitsrelevante Normungen sollen weiterhin dazugehören, aber Komfort- und Ausstattungsmerkmale werden nicht mehr automatisch als aRdT angesehen. Dazu Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann: „Der Gebäudetyp-E ist ein wichtiger Beitrag, um auf die stark gestiegenen Baukosten zu reagieren. Mit unserem Gesetzentwurf wollen wir Bauen in Deutschland günstiger, einfacher und unbürokratischer machen. Fachleute schätzen, dass sich dadurch bis zu 10 Prozent der Herstellungskosten einsparen lassen. Wir wollen dieses milliardenschwere Potenzial freisetzen. Wir setzen dabei am Bauvertragsrecht an. Gutes Wohnen hängt nicht davon ab, dass immer jede einzelne DIN-Norm eingehalten wird.“


Speziell für den Gebäudetyp-E wird ein neues Kapitel § 650o BGB-E eingeführt, das die Verträge zwischen fachkundigen Unternehmen definiert und eine Ausnahme von der geltenden Aufklärungspflicht regelt. Dies bedeutet, dass bei Verträgen zwischen fachkundigen Unternehmern keine Verpflichtung mehr besteht, über Risiken und Konsequenzen des Abweichens von den aRdT aufzuklären. Außerdem sieht der Paragraf weitere Ausnahmeregelungen zum Sachmangel (§ 633 BGB) vor, sodass das Abweichen von den aRdT nicht mehr automatisch als Sachmangel gilt. Schutzrechte für Verbraucher und nicht fachkundige Unternehmer bleiben angeblich jedoch unverändert. Beispielsweise könnte ein Absenken des Schallschutzes oder der Trittschalldämmung nicht nur als eine Einbuße an Komfort empfunden werden, sondern als psychische Dauerbelastung in Wohnräumen. Dies wäre jedoch im Gebäudetyp E kein Sachmangel mehr.


Der Gesetzentwurf befindet sich nun in der Ressortabstimmung und soll im Herbst im Kabinett beschlossen werden. Ein Inkrafttreten des Gesetzes ist frühestens Anfang 2025 zu erwarten. Entscheidend für die Praxis wird die anschließende Rechtsprechung sein.


Foto: Heinz-Jürgen Kruppa

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