Tiefbau überrascht
Tiefbau ist eine komplexe Herausforderung an die beteiligten Ingenieure und Arbeiter. Entsprechende Kenntnisse der Bodenbeschaffenheit und die geeigneten Maschinen müssen verfügbar sein. Vor Beginn der Arbeiten muss ein Bodengutachten erstellt werden, um Kenntnisse über die Beschaffenheit des Untergrundes zu erlangen. Trotz allem kann es zu Überraschungen kommen, wie auf einer Großbaustelle in Ratingen, wo nicht nur kontaminierter Boden entdeckt wurde, sondern auch eine archäologische Sensation.
Baugruben sind technische Meisterwerke
Baugruben gegen nachrutschendes Erdreich abzustützen und zu sichern ist die erste Herausforderung. Um der Grube Halt zu geben, werden verschiedene Verbauarten entsprechend dem Boden, der Umgebung und dem Bauvorhabens angewandt. Trägerbohlwände, Verbauboxen, Gleitschienen-Verbaueinheiten, Bohrpfahlwände, Schlitzwände und Spundwände kommen je nach Beschaffenheit und Bauzweck zum Einsatz. Auch kann an einer Baustelle eine Kombination mehrerer Verbauarten zum Einsatz kommen. Grundwasser ist häufig eine weitere Hürde. Der Verbau muss anschließend im Erdreich rückverankert und stabilisiert oder auch gegen einströmendes Grundwasser gesichert werden. Mikropfähle unterschiedlichster Beschaffenheit sichern das Bauwerk ab. Auch gegen Auftrieb durch Grundwasser muss rückverankert werden. Näheres zu den verschiedenen Ausführungen der Mikropfähle regelt die DIN EN 14199.
Großbaustelle in Ratingen
Das Köster Kompetenz-Center Spezialtiefbau und Umwelttechnik hat bei der aktuell größten Baugrube Ratingens Kompetenz, Erfahrung und Ingenieurskunst bewiesen. Allein die Zahlen der 12 Meter tiefen Baugrube sprechen für sich: 120 mal 80 Meter Baufeld, 8 Monate Bauzeit und 169.000 Tonnen Aushubmaterial, überschnittene Bohrpfahlwände mit 2900 Bohrmetern, 2000 qm Berliner Verbau, eine Version der Trägerbohlwand, und 8500 qm Sauberkeitsschicht sind Kennziffern dieser herausragenden Leistung. Die Sauberkeitsschicht ist ein Belag aus Magerbeton zwischen Baugrubensohle und dem Gebäudefundament. Nicht allein das heranzuschaffende Material ist eine logistische Aufgabe – auch das Aushubmaterial muss entsorgt und abtransportiert werden. Allem voran, wenn es unvorhergesehene Überraschungen im Untergrund lauern, welche im Bodengutachten unentdeckt blieben.
Zwei Überraschungen im Untergrund
Die 28 Millionen Jahre alte Seekuh war eine archäologische Sensation. Paläontologen des Geologischen Dienstes Nordrhein-Westfalen wurden durch die Köster-Mitarbeiter bei der Bergung unterstützt. Ebenfalls überraschend aber weniger erfreulich war übelriechendes, beim Bodengutachten unentdecktes, Erdreich. Von den oben erwähnten 169.000 Tonnen Aushubmaterial waren 13.300 Tonnen kontaminiert und stellten eine neue Herausforderung an die Logistik. Zunächst mussten Behörden informiert und Bodenproben zur Bestimmung des Giftes entnommen werden. Anschließend musste dieses Material hinsichtlich der Kontamination auf einer Spezial-Deponie entsorgt werden. Die Aushubarbeiten wurden umgestellt und an anderer Stelle als ursprünglich geplant fortgesetzt. Die Verunreinigung erforderte eine räumliche Absperrung und das Anwenden des Schwarz-Weiß-Prinzips.
Schwarz hat die Bedeutung von schmutzig oder kontaminiert, weiß für sauber. Um Verschleppungen der Umweltgifte durch Bauarbeiter zu verhindern, werden zwei Umkleideräume eingerichtet. Mitarbeiter aus dem verschmutzen Bereich kommend, müssen ihre Kleidung im schwarzen Umkleideraum ablegen, sich duschen und dürfen erst nach Überprüfung ihrer Dekontamination den weißen Umkleidebereich betreten. Derartige ökologische Problemlagen erfordern hohe und gebündelte Lösungskompetenz der beteiligten Unternehmen.
Grenze zu öffentlichem Raum stellt Anforderungen
Da eine Seite des Baufeldes an öffentlichen Raum grenzt, musste dort eine andere Rückverankerung verbaut werden. Fremdes Grundstück darf generell nicht beeinträchtigt werden. Auch wenn zum Bauzeitpunkt keinerlei Behinderung vorliegt, können aber zukünftige Baumaßnahmen an im Boden liegenden Material scheitern oder erschwert werden. Daher mussten Anker für die Trägerbohlwände verwendet werden, welche nach Abschluss der Arbeiten entfernt werden und keine Beeinträchtigung der Nachbarschaftsgrundstücke hinterließen.
Tiefbau ist eine komplexe, herausfordernde und spannende Materie. Für Interessierte gibt es unter diesem Artikel Links zu Videos und Infomaterial der verschiedenen Verbauarten. Ohne die enormen Kenntnisse beteiligter Firmen, Bauingenieure, Statiker und noch anderen involvieren Personenkreisen wären die uns gewohnten Bauwerke undenkbar. Sei es ein einfache Unterführung oder die komplexe Herausforderung des U-Bahn-Baus. Auch der Straßenbau muss insbesondere in Bergregionen entsprechend geschützt und gesichert werden, um Murenabgänge zu verhindern.
Links zum Thema:
SBH Grubenverbau aus der Praxis
Baugrubensicherung – Einbringen einer Spundwand
Bildquelle: Köster GmbH