MEINUNG: Die Mär vom Umweltschutz im Wärmeschutz
Wer energetisch wertvoll saniert, wird von der Regierung unterstützt. Denn, auch wenn sich die dt. Regierung sträubt, verbindliche Zusagen im internationalen Dialog zu geben, ist der Klimaschutz Staatsräson. Damit einher gehen Forderungen an den Wärmeschutz im Bau, die über die Jahre immer mehr angezogen werden. Bis 2050 soll der Gebäudebestand praktisch klimaneutral sein. Um das zu erreichen, locken attraktive Finanzierungsmodelle durch die KfW für Einzelmaßnahmen und Effizienzhäuser. In der Heizung sollen regenerative Wärmequellen genutzt werden und die Häuser gehören gedämmt.
Doch wie stimmig ist das Konzept?
Bundesweit werden Energie-Experten durch Architekten- und Ingenieurkammern ausgebildet. Während auf offiziellen Websites glückliche Paare in energetisch sanierten Alt- und Neubauten sitzen und in die Kamera lächeln, werden hier von Teilnehmer- und Ausbilderseiten schon eher kritische Stimmen laut.
Sind Energie-Experten nichts anderes als An-der-Tür-Verkäufer der Dämmstoffindustrie? Zumindest ist es komfortabel, dass jährlich hunderte Experten ausgebildet werden, die recht viele Zentimeter Dämmung nicht nur empfehlen, sondern sogar anordnen, damit der KfW-Zuschuss genutzt werden kann.
Die Basis für die Empfehlungen bildet die EnEV, die Energieeinsparverordnung, die nun mit der EEWärmeG zum GebäudeEnergieGesetzt GEG zusammengefasst wird. Mit ihr als Grundlage wird der Transmissionswärmeverlust und der Primärenergiebedarf eines Hauses, berechnet nach DIN-Norm, eingeordnet und bewertet. Der Bauherr und Endverbraucher kann dann anhand einer schönen Grafik in Ampelfarben auf seinem Energieausweis sehen, wie energieeffizient sein Haus gebaut ist.
Bis diese Grafik erstellt ist, kann es ein langer Weg sein. Auch wenn die jeweiligen Arbeitskreise sich bemühen, immer leichtere Berechnungskonzepte zu entwerfen, ist die Einordnung eines Gebäudes ohne EDV-Unterstützung nicht möglich.
Es wird also auf einige Kommastellen genau kalkuliert, es werden Modelle für Wärmebrücken entworfen und jede noch so kleine Stellschraube angezogen, um den Grenzwert für ein Niedrigstenergiehaus zu erreichen. Dabei besteht jedoch die Gefahr, dass nicht mehr über Sinn und Unsinn der Daten und Dämmmaßnahmen diskutiert wird. Schließlich geht es ja um eine Menge Geld in der Förderung durch BAFA und KfW.
Was zum Beispiel an sich bekannt ist, aber scheinbar keine Auswirkungen hat, ist das sogenannte Referenzklima. Jedes Gebäude, ob es an der Nordsee steht oder auf der Zugspitze, wird dahingehend eingeschätzt, wie gut seine Energiesparqualitäten sind bei den klimatischen Bedingungen in … Potsdam.
Während jedem Statiker die Wind- und Schneezonen Deutschlands vertraut sein müssen, gehen Energieexperten davon aus, dass in ganz Deutschland Wetter herrscht wie im Park von Sanssouci.
Das ließe sich noch verschmerzen, immerhin ist z.B. Köln, als wärmster Ort Deutschlands nur 2,3 °C in der Jahresdurchschnittstemperatur von Potsdam entfernt. Wenn denn wenigstens die anderen Annahmen und Ergebnisse einer Gebäudeenergiebilanz aussagekräftig wären.
Bei der Berechnung, besonders des Warmwasserbedarfs, wird die nötige Energie nämlich auf Basis der Wohnfläche ermittelt. Das ist auf dem ersten Blick sinnvoll, weil sich diese ja im Gegensatz zur Bewohneranzahl über die Standdauer eines Gebäudes nicht verändert, zumindest nicht ohne eine erneute Berechnung der Energiebilanz nötig werden zu lassen. Diese Vereinfachung lässt jedoch die errechneten Werte in vielen Fällen ziemlich Wert-los darstehen.
Ob nämllich eine 80-jähige Witwe ein Haus bewohnt oder eine 8-köpfige Familie ergibt schon einen Unterschied im Notwendigwerden von Energiesparmaßnahmen. Und beide Szenarien werden im Berechnungsverfahren schlichtweg nicht beachtet. Es wird nämlich, normativ wie in Deutschland üblich, von einer „normalen Familie“ ausgegangen.
Ausgebildete Energie-Experten wissen das und freuen sich, wenn sie Energie-Verbrauchsausweise ausstellen dürfen, was bis zu einem gewissen Gebäudealter (errichtet oder energetisch saniert nach 1977) erlaubt ist. Dann nämlich wird die Bilanz auf Basis von mindestens 3 Jahresabrechnungen des Gas-, Öl-, Pellet- oder Fernwärmelieferanten berechnet. Das gibt zumindest, in Hinblick auf die aktuelle Wohnsituation, ein realistisches Ergebnis.
Auch bei Energie-Bedarfsausweisen wird deshalb gern ein Blick in die Rechnungen geworfen und in der Software so lang hin und her korrigiert, dass sich die errechneten mit den realen Werten zumindest hinreichend ähneln.
In der Theorie also existiert noch Verbesserungsbedarf, damit Bauherren wirklich realistische Aussagen über das Energieeinsparpotential ihres Hauses erhalten. Immerhin ist die Armortisierung und damit das Einsparpotential einer bauenergetischen Maßnahme immer noch einer der wichtigsten Gründe für eine Sanierung. Auch wenn Energie-Experten davon abraten, dieses Argument ins Felde zu führen.
Energetisch saniert soll werden wegen der Behaglichkeit und wegen dem Klimaschutz. Nur dass es bei letzterem auch hapert.
Denn an keiner Stelle hält die Nachhaltigkeit in der Herstellung sowie bei der Endverwertung von Dämmmaterial, Einzug in die Bestimmungen. Das größte Problem stellt hier das immer noch beliebte, weil billige, Polystyrol dar.
Langsam aber sicher wird der Schaum durch mineralische oder andere natürliche Dämmstoffe ersetzt. Im Dachbau sowieso, weil niemand im Brandfall gern flüssiges kochendheißes Plastik von der Decke tropfen haben möchte. Dennoch betrug der Markanteil 2018 immer noch 80%. In den letzten 40 Jahren wurden in Deutschland 1 Milliarde m² Polystyrol verbaut.
Die Energiebilanz in der Herstellung ist katastrophal, zumindest mit Blick auf das gesteckte Ziel des Klimaschutzes. Um 1 kg Polystyrol herzustellen, werden 5kg Erdöl nötig. Für die Herstellung des Dämmstoffes werden bis zu 29 kWh sog. Graue Energie verbraucht. Das ist die Energiemenge, die für Produktion, Transport, Lagerung usw. verwendet wird. Zum Vergleich: Der mineralische Dämmstoff Steinwolle benöigt 4,7 kWh.
Trotz langer Lebenszeiten steht hier, wie bei jedem Werkstoff aus Plastik irgendwann die Frage nach dem Recycling bzw. der Vernichtung ins Haus. Laut einer Studie des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik (IBP) und des Forschungsinstituts für Wärmeschutz (FIW) werden im Jahr 2050 ca. 50.000 Tonnen Dämmmüll Polystyrol anfallen. Großflächige Recycling-Lösungen existieren zurzeit noch nicht.
Diese Zahlen finden sich in einer Energiebilanz-Rechnung an keiner Stelle wieder. Sollen Energie-Experten nicht wirklich nur die inoffizielle Verkaufs-Gruppe der Dämmstoffindustrie sein, sondern transparente Beratung für Bauherren und einen wichtigen Beitrag für die gesteckten Klimaziele leisten, dann muss hier nachgebessert werden.
Die Möglichkeiten und die klugen Köpfe sind auf jeden Fall vorhanden. Einfach mal ein Ausbildungsseminar der Archekten- und Ingenieurkammern besuchen und sich an der Diskussion beteiligen. Es könnte viel bewegen.
Fotos:
Titelbild: Kara / stock.adobe.com
Beitragsbild: Alexander Raths / stock.adobe.com