Bau-Turbo: Drei Monate bis zur Genehmigung – Befreiungsschlag oder politisches Placebo?
Fünf Jahre für einen Bebauungsplan, drei Monate für die Zukunft – das ist, kurz gesagt, die Logik des neuen „Bau-Turbo“. Der Bundestag hat das „Gesetz zur Beschleunigung des Wohnungsbaus und zur Wohnraumsicherung“ verabschiedet. Was als Befreiungsschlag gegen die Wohnungsnot verkauft wird, könnte zum nächsten Stück deutscher Bau-Bürokratiegeschichte werden – nur diesmal mit höherer Drehzahl.
Was der Bau-Turbo verspricht
Ziel ist es, das Planen und Genehmigen von Bauvorhaben radikal zu beschleunigen. Künftig sollen Kommunen Neubauten, Umbauten oder Umnutzungen innerhalb von drei Monaten abnicken können – ganz ohne klassischen Bebauungsplan. Die Regelung gilt befristet bis Ende 2030. Abweichungen von bestehenden Bauvorschriften oder Lärmschutzregeln sind ausdrücklich erlaubt, ebenso das Bauen „in zweiter Reihe“ oder auf Supermarkt-Dächern.
Bauministerin Verena Hubertz (SPD) spricht von einer „Brechstange“ für den Wohnungsbau. Die Kommunen sollen schneller reagieren können, die Wirtschaft bis zu 2,5 Milliarden Euro pro Jahr sparen – und vor allem Zeit. CDU-Bauexperte Jan-Marco Luczak nennt den Turbo eine „starke Ansage an die Bürgermeister vor Ort“, die nun keine Ausreden mehr hätten.
Hintergrund: die Krise im Wohnungsbau
2024 wurden in Deutschland nur 251.900 Wohnungen fertiggestellt – ein Rückgang um 14,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Das Ampel-Ziel von 400.000 neuen Wohnungen jährlich blieb unerreicht. Nun versucht die neue schwarz-rote Koalition, Tempo zu machen. Sie hofft, mit weniger Bürokratie und mehr Entscheidungsfreiheit den Stillstand zu durchbrechen.
Kritik: „Freifahrtschein für Flächenfraß“
Doch wo die einen Beschleunigung sehen, erkennen andere Kontrollverlust. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) spricht vom „Freifahrtschein für Flächenfraß und unbezahlbares Wohnen“. Bundesgeschäftsführerin Barbara Metz warnt:
„Der Bau-Turbo löst weder die Wohnungsnot noch das Klimaproblem – im Gegenteil: Er verschärft beides.“
Die DUH kritisiert vor allem, dass Umwelt- und Bürgerrechte unter die Räder kommen. Der Schutz des Außenbereichs werde aufgeweicht, der soziale Wohnungsbau vernachlässigt. Statt Neubau um jeden Preis brauche es einen „Umbau-Turbo“, der auf Nachverdichtung, Sanierung und bezahlbaren Bestand setze.
Auch aus der Wissenschaft kommen skeptische Töne. Stadtsoziologen befürchten, dass Kommunen mit der neuen Regelung überfordert sein könnten – oder Bauvorhaben durchwinken, die später teuer korrigiert werden müssen.
Was offen bleibt
Ob der Turbo wirklich zündet, hängt am Ende von den Kommunen ab. Sie entscheiden, ob sie das beschleunigte Verfahren überhaupt anwenden. Viele Städte klagen schon jetzt über fehlendes Personal in den Bauämtern – und warnen davor, dass „schneller planen“ wenig bringt, wenn schlicht niemand da ist, der die Pläne bearbeitet.
Zudem bleibt unklar, ob das Gesetz tatsächlich mehr bezahlbaren Wohnraum schafft oder lediglich mehr Bauvolumen in teuren Segmenten. Denn ohne flankierende Maßnahmen – etwa eine gezielte soziale Wohnraumförderung – bleibt der Turbo womöglich nur ein Geschwindigkeitsrausch für Investoren.
Bild: Adobe Stock
Redaktion
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