Fachkräftemangel: Wie Unternehmen Bauberufe stärken können
Früher hieß der Slogan: „Seid schlau, geht zum Bau“. Doch der funktionierte schon damals kaum. Aktuell steht die Baubranche mit dem Rücken zur Wand, und das nicht nur wegen der unsicheren Wirtschaftslage: Rund 190.000 Stellen bleiben unbesetzt, die IG Bau warnt vor einem drohenden Kollaps, und der Nachwuchs scheint zu fehlen, um diese Lücke zu schließen. Dabei ist der Fachkräftemangel auf Baustellen alles andere als eine neue Entwicklung – vielmehr zieht sich diese Problematik wie ein roter Faden durch die letzten Jahrzehnte und wird mit jedem Jahr drängender.
Ein Blick zurück zeigt, wie sich die Situation zuspitzte: Bereits 2010 berichteten Unternehmen von ersten Schwierigkeiten, qualifizierte Fachkräfte zu finden. Zehn Jahre später hat sich die Zahl der offenen Stellen vervierfacht. Selbst in Jahren des Baubooms mit prall gefüllten Auftragsbüchern und einer brummenden Konjunktur konnte die Branche nicht genug Fachkräfte anziehen. Stattdessen nahm die Schieflage weiter zu. Warum? Die Gründe sind vielschichtig, aber eines wird schnell klar: Der Fachkräftemangel am Bau ist ein hausgemachtes Problem.
Ursachen des Mangels: Von niedrigen Löhnen bis zum demografischen Wandel
Ein zentraler Faktor ist die Attraktivität der Branche – oder vielmehr deren Mangel. Trotz hoher körperlicher Belastung, unsicherer Arbeitsbedingungen und hoher Anforderungen werden viele Bauarbeiter lediglich mit dem Mindestlohn entlohnt. Das fördert die Abwanderung in andere Sektoren und verschärft den Mangel zusätzlich. Wie die IG Bau treffend formuliert, gleicht dies einer „kamikazehafte[n] Irrfahrt der Branche.“
Auch strukturelle Entwicklungen tragen ihren Teil dazu bei. Der demografische Wandel lässt die geburtenstarken Baby-Boomer-Generationen nach und nach in den Ruhestand gehen, während die geburtenschwachen Jahrgänge nicht ausreichend nachrücken. 50 % der Bauarbeiter sind inzwischen über 45 Jahre alt, und jedes Jahr gehen über 15.000 von ihnen in Rente – ein Rückgang, den die jüngeren Generationen nicht ausgleichen können.
Zusätzlich hat das Baugewerbe unter jungen Menschen einen schlechten Ruf. Der Job gilt als anstrengend, schlecht bezahlt und oft unsicher. Das gesellschaftliche Ansehen des Handwerks sinkt, und trotz steigender Ausbildungsvergütungen bleiben die Ausbildungszahlen hinter den Erwartungen zurück.
Folgen für die Branche
Die Konsequenzen sind gravierend: Verzögerungen auf Baustellen, sinkende Qualität und ein Innovationsstau sind nur einige der Probleme, die durch den Mangel an Fachkräften entstehen. Hinzu kommt, dass der Druck auf die verbleibenden Arbeiter wächst. Sie müssen nicht nur die Arbeit von zwei oder mehr Menschen stemmen, sondern tun dies oft zu Konditionen, die kaum als Motivation dienen. Angesichts dieser Entwicklungen stellt sich die Frage: Wie kann die Baubranche diese Krise überwinden? Welche Maßnahmen sind notwendig, um den Beruf wieder attraktiver zu machen, neue Fachkräfte zu gewinnen und gleichzeitig die Arbeitsbedingungen für bestehende Mitarbeiter zu verbessern? Im nächsten Abschnitt betrachten wir mögliche Lösungsansätze – von innovativen Arbeitszeitmodellen bis hin zur Einwanderung qualifizierter Fachkräfte. Folgen des Fachkräftemangels auf dem Bau:
• Bauarbeiten verzögern sich,
• Ausschreibungen müssen mangels Kapazitäten abgesagt werden
• die vorhandenen Fachkräfte arbeiten oft am Limit.
Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, setzen einige Unternehmen bereits auf innovative Maßnahmen – mit durchaus nachahmenswerten Ergebnissen.
Attraktive Ansätze gegen den Fachkräftemangel: Wie Unternehmen Bauberufe stärken
Die Bauwirtschaft reagiert mit innovativen Konzepten und gezielten Maßnahmen auf den Fachkräftemangel. Unternehmen wie ZÜBLIN, Goldbeck, Strabag und Porr zeigen, wie moderne Ansätze die Attraktivität von Bauberufen steigern können.
ZÜBLIN überzeugt als Ausbildungsbetrieb mit einer praxisnahen Lehre, ergänzt durch vielseitige Weiterbildungsangebote und attraktive Zusatzleistungen. Die Kombination aus überdurchschnittlicher Vergütung, Corporate Benefits und sozialer Einbindung durch Events macht das Unternehmen zu einem beliebten Arbeitgeber für junge Talente. Mit dem Motto „Bau an deiner Karriere. Und an der Zukunft.“ unterstreicht ZÜBLIN die Wertschätzung für den Nachwuchs und fördert gezielt deren persönliche und fachliche Entwicklung.
Goldbeck richtet sein Augenmerk unter anderem auch auf Quereinsteiger und bietet praxisnahe Schulungsprogramme an, die den Einstieg in die Branche erleichtern. Damit zeigt das Unternehmen, dass die Bauwirtschaft nicht nur für klassische Bauberufe wie Maurer oder Zimmerleute offen ist, sondern auch neue Wege für Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen schafft.
Auch die Strabag SE denkt den Bau neu und testet Modelle wie flexible Arbeitszeiten auf Baustellen, um den Beruf familienfreundlicher zu gestalten. Trotz der Herausforderungen durch Witterung und enge Projektpläne beweist Strabag, dass innovative Lösungen auch in traditionell starren Strukturen möglich sind.
Die Porr AG hebt sich durch den Porr Campus hervor, ein über 5-Millionen-Euro-Projekt in Wien, das modernste Ausbildungsstandards setzt. Lehrlinge und Fachkräfte profitieren von praxisorientierten Schulungen in Bereichen wie Schalungsbau und Tiefbau sowie von theoretischen Einheiten zu Materialkunde und bautechnischen Innovationen. Ergänzend dazu stärkt das Unternehmen durch internationale Ausbildungsprogramme – etwa in Polen – seine Belegschaft und integriert ausländische Fachkräfte durch Sprachkurse und gezielte Vorbereitung. „Mit dem Porr Campus machen wir unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fit für die Zukunft“, betont CEO Karl-Heinz Strauss.
Was kleinere Baufirmen tun können
Auch kleine Baufirmen können mit gezielten Maßnahmen ihre Attraktivität als Arbeitgeber steigern und dem Fachkräftemangel entgegenwirken, ohne gleich einen eigenen Campus ins Leben rufen zu müssen. Ein wichtiger Ansatzpunkt sind die Arbeitsbedingungen: Flexible Arbeitszeiten oder familienfreundliche Schichtmodelle sind auch auf Baustellen denkbar und können für viele Beschäftigte ein starkes Argument sein. Unterstützungsangebote wie Zuschüsse zur Kinderbetreuung oder die Möglichkeit, gelegentlich aus dem Homeoffice zu arbeiten, wenn es die Position erlaubt, tragen ebenfalls zur Attraktivität bei.
Ein weiterer Hebel ist die Weiterbildung. Kooperationen mit Handwerkskammern oder örtlichen Bildungsanbietern ermöglichen es, individuelle Schulungen für Mitarbeiter anzubieten, ohne dass große Kosten entstehen. Auch Quereinsteiger können durch praxisorientierte Einarbeitungspläne oder Patensysteme gezielt gefördert werden, was nicht nur das Team stärkt, sondern auch den Einstieg erleichtert.
Außer den Arbeitsbedingungen spielt die Vergütung eine zentrale Rolle. Neben einem fairen Gehalt sind Sachleistungen wie Tankgutscheine, Firmenhandys oder die Übernahme von Arbeitskleidung attraktive Extras. Leistungsorientierte Boni können zusätzlich Anreize schaffen und die Motivation im Team steigern.
Mitarbeitergewinung per Social Media
Im Bereich der Mitarbeitergewinnung gibt es ebenfalls Ansätze, die ohne großes Budget auskommen. Social-Media-Plattformen wie Instagram oder Facebook eignen sich hervorragend, um Einblicke in den Arbeitsalltag und die Unternehmenskultur zu geben. Gleichzeitig können Karriereseiten auf der eigenen Website oder Stellenanzeigen auf Online-Jobportalen dabei helfen, sichtbar zu werden und gezielt neue Mitarbeiter anzusprechen.
Nicht zu unterschätzen ist auch das Arbeitsklima. Wertschätzung, ein offener Umgang und die Einbeziehung der Mitarbeiter in Entscheidungsprozesse fördern nicht nur die Motivation, sondern stärken auch die Bindung an das Unternehmen. Team stärkende Maßnahmen wie kleine Grillabende oder Betriebsausflüge schaffen zudem ein angenehmes Miteinander.
Schließlich können kleine Baufirmen auch frühzeitig in die Nachwuchsförderung investieren. Kooperationen mit Schulen oder die Organisation von Praktika und Schnuppertagen sind hervorragende Möglichkeiten, um Jugendliche für die Baubranche zu begeistern. Gleichzeitig hilft ein klares Ausbildungsmarketing dabei, Karrieremöglichkeiten aufzuzeigen und das Image der Branche zu verbessern.
Mit diesen Maßnahmen, die flexibel und kosteneffizient umgesetzt werden können, kann es auch kleinen Betrieben gelingen, ihre Attraktivität zu steigern und sich im Wettbewerb um Fachkräfte besser zu positionieren.
Fazit: Die Richtung ist klar - der Fachkräftemangel auf dem Bau lässt sich nicht durch eine einzelne Maßnahme lösen, sondern nur durch ein Zusammenspiel aus technischer Innovation, attraktiven Arbeitsbedingungen und einer breiteren Zielgruppenansprache. Die genannten Beispiele zeigen, dass Veränderung möglich ist – jetzt müssen sie flächendeckend Nachahmer finden. kw
Bild: Pixabay
Redaktion
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