Neue Gefahrstoffverordnung sorgt für Unmut in der Bauwirtschaft
Das Bundeskabinett legte am 21. August eine novellierte Gefahrstoffverordnung vor und traf damit eine weitreichende Entscheidung: Denn die überarbeitete Gefahrstoffverordnung sieht vor, dass künftig die ausführenden Baubetriebe für die Asbestprüfung bei Gebäudesanierungen verantwortlich sind. Diese Regelung stößt auf massive Kritik seitens der Bauwirtschaft und Gewerkschaften, die die Gesundheit der Fachkräfte und die Praxisnähe der Verordnung in Frage stellen.
Asbest: Eine unterschätzte Gefahr in vielen Altbauten
Asbest ist ein gesundheitsschädlicher Baustoff, der in zahlreichen Altbauten noch immer vorkommt. Während viele Menschen ihn vor allem in Eternitplatten vermuten, ist Asbest in einer Vielzahl anderer Baumaterialien zu finden – darunter Fensterkitt, Fliesen- und Teppichkleber, Rohre, Putz und Estrich. Schätzungen zufolge sterben jährlich etwa 1.500 Menschen an den Folgen, die durch das Einatmen von Asbestfasern während Sanierungsarbeiten entstehen. Diese Gefahr macht es unerlässlich, Gebäude vor Beginn einer Sanierung auf Asbest zu testen – eine Aufgabe, die technisch anspruchsvoll und kostenintensiv ist
Neue Verantwortung für Bauunternehmen: Eine realitätsferne Regelung?
Die neue Verordnung legt diese Verantwortung nun in die Hände der ausführenden Baubetriebe. Dies führt zu erheblichem Unmut in der Branche. Viele Betriebe sind weder finanziell noch technisch in der Lage, solche Asbestprüfungen durchzuführen. Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands des Deutschen Baugewerbes (ZDB), bezeichnete den Beschluss als „schwarzen Tag für den Arbeits- und Umweltschutz“. Statt die Bauherren, die letztlich für die Sanierungsprojekte verantwortlich sind, in die Pflicht zu nehmen, würden nun Betriebe und deren Mitarbeiter allein gelassen, sich vor den Gesundheitsrisiken zu schützen.
Auch Carsten Burckhardt, Bundesvorstand der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG Bau), äußerte sich deutlich: „Die Bundesregierung knickt vor den Eigentümerverbänden und der Wohnungswirtschaft ein und nimmt in Kauf, dass sich tausende Baubeschäftigte mit dem tödlichen Asbest in Gefahr bringen. Das ist ein ungeheuerlicher Skandal!“ Die Bauwirtschaft sieht in der neuen Regelung eine immense Gefahr für die Gesundheit ihrer Beschäftigten und fordert eine Überarbeitung.
Praktische Herausforderungen und die Gefahr von Sanierungsstopp
Die Praxisferne der neuen Verordnung wird auch an einem anderen Punkt deutlich: Verschiedene Gewerke könnten bei der Sanierung unterschiedliche Ergebnisse in der Asbestprüfung erzielen. Fensterbauer könnten Asbest übersehen, während Fliesenleger fündig werden und andere Gewerke die Prüfung gar nicht erst durchführen. Diese Unsicherheit könnte zu Chaos auf den Baustellen führen und die Sanierungsarbeiten erheblich verzögern.
Die Bauwirtschaft warnt zudem vor einem weiteren Risiko: Die neue Regelung könnte dazu führen, dass viele Bauherren von dringend benötigten energetischen, familiengerechten oder altersgerechten Sanierungen Abstand nehmen. Die Sorge ist, dass die Verantwortung und die damit verbundenen Kosten Bauherren abschrecken, was letztlich den dringend benötigten Wohnraum gefährden könnte. Helmut Bramann, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands Sanitär Heizung Klima (ZVSHK), kritisiert: „Wer so etwas tut, opfert die Gesundheit genau derjenigen Fachhandwerker, die für die Erreichung der Klimaziele im Gebäudebereich benötigt werden.“
Forderungen nach Nachbesserungen
Vor diesem Hintergrund fordert die Bauwirtschaft gemeinsam mit Gewerkschaften und Berufsgenossenschaften eine Überarbeitung der Gefahrstoffverordnung. Sie plädieren dafür, dass die Asbestprüfung wieder in die Verantwortung der Bauherren gelegt wird, die über die nötigen Mittel und rechtlichen Voraussetzungen verfügen. Auch die Forderung nach einem Asbest-Gebäudepass und einem Asbest-Kataster wird laut, um die Sicherheit auf Baustellen zu erhöhen und klare Regelungen zu schaffen.
Jahrelang wurde im „Asbestdialog“ über die Gefahrstoffverordnung diskutiert, und man war sich einig, dass Bauherren für die Prüfung verantwortlich sein sollten. Doch nun trägt die Baubranche die Last. Die Appelle an die Bundesländer im Bundesrat sind deutlich: Diese Regelung muss nachgebessert werden, bevor Gesundheit und Sicherheit auf Baustellen ernsthaft gefährdet werden.
Die Entscheidung des Bundeskabinetts zeigt, wie wichtig es ist, wirtschaftliche Interessen und den Gesundheitsschutz in Einklang zu bringen – eine Herausforderung, der sich die Politik dringend stellen muss. kw
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Redaktion
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