Krise(n) am Bau - gibt es auch Lösungsansätze?
Listet man die aktuellen negativen Einflussfaktoren auf das Baugewerbe auf, könnte man zu dem Schluss kommen, dass es sich weder für Auftraggeber noch als -nehmer eigentlich lohnen kann zu bauen. Aber nicht zu bauen ist nun einmal keine Option. Nicht nur dringend notwendige Infrastruktur könnte nicht mehr geschaffen bzw. erhalten werden, sondern auch der riesige Wohnraummangel mit all seinen sozialen Auswirkungen würde sich noch weiter verschärfen. Zu hoffen, dass sich die Lage am Bau in absehbarer Zeit wieder einigermaßen auf ein Vor-Corona- und Vor-Ukraine-Krieg-Niveau einschwingt, hieße auf ein Wunder zu warten, doch bekanntlich gibt es diese nicht. Es müssen also Lösungen her, mit der Krise umgehen zu können bzw. diese zumindest stellenweise lindern zu können.
Das Baugewerbe steht vor einem Berg an Problemen
Um das Ausmaß der Krise zu verstehen, hier eine kurze – und nicht abschließende – Skizzierung all der Brandherde, mit denen es die Branche derzeit zu tun hat. Im Wesentlichen lassen sich neben der allgemeinen Inflation und steigenden Zinsen, die alle Lebens- und Wirtschaftsbereiche betreffen, vier Hauptproblemfelder ausmachen: Corona, Ukraine-Krieg, Klimawandel und Fachkräftemangel. Jeder dieser Bereiche ist gespickt mit vielen weiteren kleineren und größeren Herausforderungen.
Corona hat vor allem im Personalbereich, in der Produktion sowie in der Lieferung von Materialien seine tiefen Spuren hinterlassen. Infektionsschutzmaßnahmen und krankheitsbedingte Personalausfälle haben die Arbeit auf den Baustellen massiv belastet. Gerade für Handwerker am Bau hieß es, neben der Sorge um die eigene Gesundheit auch immer wieder Mehrarbeit leisten zu müssen. Nach der momentanen saisonalen Entspannung könnte Covid im kommenden Herbst wieder zu einem großen Thema werden. Corona begründete auch die vielen Produktionsausfälle und Lieferengpässe, die in ihrer Folge zu eklatanten Preissteigerungen für nahezu alle Baumaterialien führte.
Hauptpreistreiber im Moment dürfte jedoch der Krieg in der Ukraine und die damit einhergehende Energiekrise sein. Als energieintensiver Wirtschaftszweig leidet das Baugewerbe extrem unter den hohen Kosten, die diese bei Baustoffen verursacht hat. Egal ob Stahl, Bitumen, Glas oder Zement – überall schlägt der hohe Energiebedarf zu Buche oder führt bereits zu Produktionsdrosselungen und somit geringer Verfügbarkeit. Selbst Nägel und Schrauben werden schon knapp.
Der Klimawandel wiederum hat nicht nur die äußeren Bedingungen von Bauprojekten erschwert. Die dringend notwendige Reduktion des CO2-Ausstoßes stellt aufgrund der genannten Energieintensität eine große Herausforderung für die Baubranche dar. Einerseits zwingt die staatliche Bepreisung der Kohlestoff-Emmission dazu, schon aus Kostengründen ökologischer zu handeln, andererseits werden die Folgen des Klimawandels immer spürbarer und steigern somit auch das Bewusstsein für klimafreundlicheres Bauen.
Schließlich wird der Fachkräftemangel zu einem immer dringlicheren Problem. Trotz vieler Imagekampagnen und Maßnahmen, um Berufe am Bau attraktiver zu machen, entscheiden sich nach wie vor viel zu wenig junge Menschen für diesen Berufszweig. Neben den oft großen körperlichen Anstrengungen und den fordernden Arbeitszeiten ist natürlich die Einkommenssituation einfach nicht ansprechend genug, um den akuten Personalmangel zumindest perspektivisch zu beheben. Dabei erfordern gerade die anstehenden Probleme qualifiziertes Personal, das in der Lage ist, auch anspruchsvolle Projekte effizient anzugehen.
Lösungen können nur mittel- bis langfristig entwickelt werden
Für die Vielzahl an Problemen, mit denen sich das Baugewerbe auseinandersetzen muss, wird es nicht die eine Lösung geben. Selbst wenn sich die Corona-Problematik entspannen und der Krieg in der Ukraine beendet sein sollte, würden wir uns in einer „neuen“ Realität wiederfinden, in der alte Lieferquellen nicht mehr über Jahre verlässlich sein und Preise schwankend bleiben werden. Die Auswirkungen des Klimawandels werden immer größer werden und entsprechende schnelle Reaktionen erfordern. Sich auf diese Gegebenheiten einzustellen, ist das Gebot der Stunde und eine immer währende Aufgabe für die Baubranche.
Das Baugeschäft wird riskant bleiben, langfristige Planungssicherheit wird es eventuell nie wieder geben. Darauf kann und muss man sich einstellen und das wirtschaftliche Handeln darauf abstimmen. Die extrem volatilen Preise werden ein tägliches Agieren am Baustoffmarkt bei gleichzeitig größerer Marktanalyse erfordern. Beim Materialeinkauf können Sicherungsgeschäfte eine gewisse Preisstabilität gewährleisten, die dann allerdings auch mit größerer eigener Flexibilität, z.B. durch Vorhalten größerer Lager, erkauft werden muss. Auch gedeckelte Preisgleitklauseln sind ein Mittel, bei dem sowohl Auftraggeber wie -nehmer das Risiko steigender Preise gemeinsam schultern. Auftraggeber müssen mit einem höheren Endpreis als dem zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses kalkulierten rechnen, Auftragnehmer werden nicht endlos alle ihre Kosten an den Kunden weitergeben können. Im besten Fall kommen mit einer gedeckelten Preisgleitklausel beide Seiten gut davon bzw. können ihr eigenes Risiko zumindest mindern.
Angesichts der Klimakrise kann die Vorfertigung (Systembau) ein Weg sein, um den schwankenden Witterungsbedingungen und den Wetterextremen zu entgehen. Bauelemente werden dabei in Hallen vorgefertigt, zur Baustelle transportiert und dort eingefügt. Das funktioniert natürlich nur mit einigen Bauteilen, schafft für diese aber eine verbesserte Produktion in gleichbleibend hoher Qualität. Zudem kann auf diese Weise die körperliche Belastung, die viele Bauarbeiten für die Handwerker mit sich bringen, reduziert werden. Um vorfertigen zu können, bedarf es allerdings großer Investitionen, die für kleine und mittelständische Unternehmen kaum leistbar sind. Hier können jedoch Zusammenschlüsse mehrerer Unternehmen eine Möglichkeit darstellen. Zudem muss bei den Baumaterialien unbedingt der CO2-Ausstoß verringert werden. Das kann durch eine höhere Recyclingrate oder auch den Einsatz alternativer Materialien, wie etwa Lehm, gelingen. Allerdings sind auf diesem Gebiet noch viel Forschung und Entwicklung sowie gegebenenfalls Anpassungen bestehender Baunormen notwendig.
Bezüglich des Fachkräftemangels wird es nicht ausreichen, diese mit noch mehr gut gemeinten Imagekampagnen beheben zu wollen. Bei der Berufswahl sind nun einmal Einkommen und Zukunftsperspektiven wichtige Kriterien und nur ein gut bezahlter Job ist auch ein guter Job. Außerdem muss mehr getan werden, um die körperlichen Aspekte der oft harten Arbeit am Bau abzumildern. (Teil)automatisierung wie sie z.B. die Vorfertigung ermöglicht oder technische Unterstützung, etwa beim Heben schwerer Lasten, können dafür sorgen, die Arbeit am Bau gesünder und damit auch attraktiver zu machen.
Schließlich werden alle hier genannten Lösungsansätze nur mit noch konsequenterer Digitalisierung erfolgreich umsetzbar sein. Sämtliche Prozesse, die die Führung und Umsetzung von Bauprojekten ausmachen, sollten möglichst softwarebasiert unterstützt werden. Das Baugewerbe ist in den letzten Jahren und insbesondere durch die aktuellen Herausforderungen komplexer und schnelllebiger denn je geworden, so dass neben der Erfahrung in der Branche auch datengestütztes Handeln unabdingbar geworden ist.
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